Wind - Das Bündnis der Elemente (German Edition)
dann mit den Augen. Der Apfel wurde mitten in seinem Flug aufgehalten. Der Mann ließ seine Augen nicht von ihm.
Kai konnte sich erinnern. In der Gasse, als die Seele des jungen Mädchens gegen sie kämpfte, da hatte er die kleine dunkle Wolke ebenso angesehen und sie war erstarrt.
„Dann kann er Gegenstände einfrieren?“, schlussfolgerte er. Der Mann löste seinen Blick von dem Apfel und das Obst fiel auf den Tisch. Die Diener verneigten sich und verließen auf ein Zeichen ihres Anführers hin den Raum.
„Und was kannst du?“ Kai setzte sich nicht wieder. Er war viel zu aufgeregt.
„Kannst du das auch? Oder beides?“
Hieronymus lachte. „Aber nein, mein Sohn. Was ich kann, bleibt vorerst ein Geheimnis. Du wirst es früh genug erfahren. Ich sage es dir, wenn es an der Zeit dafür ist.“
Ein wenig enttäuscht ließ sich Kai nun doch wieder auf seinem Stuhl nieder.
„Wie entscheidet sich, wer was kann?“, wollte er wissen. „Ist das bei jedem unterschiedlich?“
Herr Austen schob seinen Teller von sich und nickte dabei. „Aber es braucht viele Seelen ehe man die Stufe erreicht, die wir nun haben. Du wirst viel nachholen müssen, mein Sohn. Doch sei unbesorgt. Ich arbeite bereits an einer Methode, wie du schneller so stark wirst wie wir. Bald bist du uns ebenbürtig.“
„Wie hast du es geschafft?“ Kai nahm sich nun doch zu essen. „Wie hast du es geschafft, dass ich es endlich gemerkt habe, dass ich hierher gehöre und nicht...“ Er sprach nicht weiter.
Seine schmalen Augen sahen ihn über die Tischplatte hinweg an. „Es war ein langer und steiniger Weg, Kai. Aber ich habe es geschafft. Ich musste dich unsicher machen, dir nahe kommen und dich sogar verletzen, dass du es begreifst. Und doch ist es mir gelungen.“ Er schwieg einen Moment, dann fuhr er sachlich fort. „Ich habe dich verfolgt. Als ich heraus fand, wer sich hinter Mark Thun verbarg, musste ich handeln. Ich konnte nicht einfach zu dir kommen und dein Vertrauen gewinnen, nachdem ich dir so lange Zeit übel mitgespielt hatte. Also musste ich dich zermürben. Musste die Persönlichkeit zerstören, die du fälschlicherweise im Waisenhaus aufgebaut hast. Sie gehört nicht in diesen Körper, Kai. Denn dein Körper gehört zu uns. Du bist der Wind. Du bist freier und gewaltiger als alle anderen Elemente. Und deshalb konnte es gelingen. Weil du dich fehl am Platz gefühlt hast.“
Kai nickte. Dieser Mann sprach ihm aus der Seele.
Herr Austen seufzte. „Ich handelte klein und zart, um dich zu zermürben. Meine Angriffe gegen dich beschränkten sich auf deine Untergebenen. Und als ich merkte, was dich mit diesem Elijah verband, wusste ich, dass ich ihn beseitigen musste, um an dich heran zu kommen. Ein Glücksfall war dabei, dass meine Untergebenen einen Fehler begangen und ihn ins Krankenhaus brachten. Das war nur der Anfang von Marks Ende. Du weißt es besser, schließlich warst du er. Er raufte sich auf, machte sich fertig. Und dann setzte ich das Messer gezielt in seine Wunde und spielte ihm seine wahre Geburtsurkunde zu. Dermaßen verunsichert war es ein leichtes für mich, ihn zu überzeugen, dass er gar nicht existierte. Sondern du.“ Er sah ihn voller Liebe an. „Du bist mein Sohn, Kai. Du bist nicht länger Mark. Du bist das, was du schon immer sein wolltest.“
„Ich will stark sein.“, gab Kai zurück und trank seinen Kaffee aus. „Ich will, dass du mir das beibringst. Ich denke, ich habe begriffen, dass ich nur bei den Windlern das bekomme, was ich schon immer wollte: wahre Stärke. Ich werde euch helfen, die Maschine in den Gang zu bekommen.“
„Leider benötigen wir dafür den Zylinder. Und der ist bei deinen sogenannten Freunden.“
Kai schüttelte den Kopf. Nein, das war er nicht mehr. Er konnte sich genau erinnern, den Zylinder aus dem Versteck geholt zu haben. Doch er wusste nicht mehr, was er damit gemacht hatte. Wohin hatte er ihn gebracht?
„Ich weiß, dass sie ihn nicht haben.“, eröffnete er seinem Vater. „Liebend gerne hätten sie ihn dir gestern gegeben, im Austausch für mich. Dass ich nicht mehr zu ihnen wollte, begriffen sie nicht. Nein, sie hatten ihn nicht. Aber ich werde ihn dir bringen, Vater.“ Er erhob sich.
Herr Austen sah ihn wohlwollend an. „Enttäusche mich nicht, mein Sohn.“, flüsterte er. Kai lächelte zurück.
Leichtfüßig verließ er das Esszimmer und ging in den Flur. Sein Blick fiel auf die Hutablage über dem Treppenabsatz. Dort lag ein kleiner Stoffelefant.
Mal
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