Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
siebzehn Jahre zuvor die Inselgruppe in Besitz genommen. Einer davon war Henris Vater gewesen, der die Plantage aufgebaut und unter zunehmendem Einsatz von Negersklaven erweitert hatte. Vor fünf Jahren hatte Henri sein Erbe angetreten– ein Pflanzer mit Leib und Seele.
    Als Henri mit erkennbarem Stolz von seinen Anfängen als Tabakbauer erzählte, fragte Felicity sich unwillkürlich, ob Niklas sich wohl auch zum Plantagenbesitzer eignete. Es würde ihr gewiss nicht gefallen, wenn er weiterhin ständig den Ozean besegelte, statt bei ihr zu sein. Lizzie und Duncan hatten eine Lösung für dieses Problem gefunden– er würde eine Werft betreiben. Schiffe wurden immer gebraucht, und er hatte schon als Junge von seinem Großvater gelernt, wie man welche baute. Besorgt erkannte Felicity, dass sie sich über diesen wichtigen Punkt bisher zu wenig Gedanken gemacht hatte. Sie würde mit Niklas darüber reden müssen. Vielleicht könnte er eine Art Laden eröffnen, beispielsweise einen, in dem man Tuche und Hausrat kaufen konnte. Schöne Stoffe waren auf den Inseln oft Mangelware. Auf Barbados gab es solche Läden, aber hier im Dorf hatte Felicity bisher nur einen kümmerlichen Krämer ausgemacht, bei dem es kein Fitzelchen Seide zu kaufen gab, von Spitze oder Samtbrokat ganz zu schweigen. Yvette bestellte alle Stoffe für ihre Garderobe direkt in Paris und musste Ewigkeiten darauf warten.
    Während Felicity lebhaft über die Möglichkeiten einer Geschäftseröffnung nachsann, erreichten sie und Henri das Ende des Tabakfeldes. Gleich darauf gelangten sie zu besagter Stelle, von der er ihr vorgeschwärmt hatte. Neugierig schaute Felicity sich um. Henri hatte nicht übertrieben, es war wirklich zauberhaft hier oben. Die Anstrengungen des Aufstiegs waren sofort vergessen. Ringsherum wuchsen Büsche, die sich unter duftenden Blüten bogen und von Schmetterlingen und Kolibris umschwärmt wurden. Ein paar von Wind und Wetter glatt geschliffene Felsen luden zum Verweilen ein– und dazu, von dort aus die herrliche Aussicht zu genießen. Unter ihnen erstreckten sich die weiten grünen Tabakfelder und das Dorf, das von hier aus wie eine Ansammlung von Spielzeughäusern aussah, und zur anderen Seite lag das Meer, eine leuchtende, von spitzenartigen Schaumkronen durchzogene Fläche. Über allem spannte sich ein sattblauer Himmel, vor dem sich der im Hintergrund aufragende Vulkankegel als höchste Erhebung der Insel scharf abhob.
    Felicity setzte sich auf einen der Felsen und erfreute sich an dem Ausblick. Ein wenig umständlich nahm Henri neben ihr Platz, die Hände auf den Knien verschränkt.
    » Gefällt es Euch, Mademoiselle? «
    » Aber ja! Und sagt doch bitte Felicity zu mir, das tut Yvette auch. «
    » Gern. « Er zupfte an den Manschetten seines Hemdes herum, und Felicity bemerkte erstaunt, dass er nervös war.
    » Felicity. Habe ich Euch schon gesagt, was für eine wunderschöne Frau Ihr seid? « Er wandte sich ihr zu, einen unglücklichen Ausdruck im Gesicht.
    » Äh… nein « , gab sie verblüfft zurück.
    » Ich verehre Euch, seit ich Euch das erste Mal sah! « Seine Wangen waren tiefrot. Unbeholfen nahm er ihre Hand. Felicity war viel zu verdattert, um sie ihm zu entziehen. » Ich möchte ganz offen mit Euch sprechen « , fuhr Henri stockend fort. » Meine Gefühle– ich habe sie nicht mehr unter Kontrolle. Ihr habt mir mein Herz geraubt! Ich liebe Euch über alles und möchte Euch ersuchen, meine Mätresse zu werden! «
    » Henri! « Sie kam zur Besinnung und entriss ihm ihre Hand. » Wie könnt Ihr nur! Ihr seid ein verheirateter Mann! «
    » Yvette hat nichts dagegen. Das hat sie selbst gesagt. «
    » Ihr lügt mich an! «
    » Nein « , beteuerte er. » Es ist wahr! Sie ist einverstanden. «
    » Nun, aber ich nicht. «
    » Weist mich nicht zurück! « , flehte er. » Dann wäre alles verloren. «
    » Was soll dieser Unfug? « Aufgebracht blickte sie ihn an. » Ihr wisst doch, dass ich verlobt bin. «
    » Ja, aber es kann doch sein, dass dieser Kapitän im Krieg umkommt. Oder dass sein Schiff sinkt. Ihr habt selbst erzählt, dass es um ein Haar schon einmal geschehen wäre. «
    » Er wird mich holen kommen, und dann werde ich seine Frau « , erklärte Felicity kategorisch. Eigentlich hätte sie auf der Stelle aufspringen und zum Dorf hinunterlaufen müssen, aber Henri hatte, nachdem sie ihm die Hand entzogen hatte, keine Anstalten mehr gemacht, sie wieder anzurühren. Er starrte mit feuerrotem Gesicht auf seine Füße.

Weitere Kostenlose Bücher