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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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keinen Schuss mehr hatte.
    » Raus « , befahl sie. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, doch er durchschaute den Bluff nicht. Nach einem hastigen Blick auf seine toten Kameraden verschwand er über die Veranda. Unmittelbar darauf knallte draußen abermals ein Schuss. Elizabeth lief hinaus. Auf der Straße stand mit einer Flinte im Anschlag der Inhaber des Krämerladens, der drei Häuser weiter wohnte. Er hatte auf den flüchtenden Indianer gefeuert, der getroffen im Staub lag. Eilig überzeugte sich der Krämer davon, dass er den Kariben unschädlich gemacht hatte, und als er sah, dass der Mann noch lebte, zertrümmerte er ihm mit dem Kolben seines Gewehrs den Schädel. Weitere Männer aus dem Dorf kamen herbeigelaufen, allesamt bewaffnet, mit Knüppeln, Äxten und Pistolen. Doch da war niemand mehr, den sie hätten bekämpfen können, alle Angreifer waren tot.
    Ebenso wie Yvette Perrier. Sie lag mit durchschnittener Kehle in ihrem Schlafzimmer. Henri hatte zwei Pfeile in der Brust, er war auf der Verandatreppe zusammengebrochen, seine Augen im Tod aufgerissen. Elizabeth hatte ihn fallen sehen, während sie vom Strand zurückgekommen war. Die letzten Schritte war sie gerannt, als sie Henri stürzen sah. Doch sie war zu spät gekommen. Nur eine Minute früher, und sie hätte Yvette und ihn vielleicht retten können! Benommen hockte sie neben dem Toten auf der Treppe.
    Immer mehr Leute kamen aus der Nachbarschaft und umringten sie. Zwei Männer schleppen Henris Leichnam ins Haus und legten ihn neben Yvette ins Ehebett. Anschließend schleiften sie die toten Indianer hinaus und warfen sie zu dem anderen, den der Krämer niedergeschossen hatte. Sie tätschelten Elizabeth bewundernd den Rücken, zwei Frauen geleiteten sie zu einem Stuhl, damit sie nach dem Schock zu sich kommen konnte. Erst als unter aufgeregtem Geschrei Plantagenarbeiter der Perriers angerannt kamen, wurde klar, dass es oben bei den Hütten weitere Tote gab.
    Faith! Elizabeth sprang auf und setzte die Verandatreppe hinab, rannte ums Haus herum und dann mit weiten Sprüngen hügelaufwärts. Beim Anblick der dort verstreut liegenden Leichen verengte sich ihr Gesichtsfeld, ihr drohte schwarz vor Augen zu werden. Nicht Faith!, durchfuhr es sie immer wieder. Bitte nicht Faith!
    Als sie Zena und Felicity aus der Hütte treten sah, schrie sie wie von Sinnen Faiths Namen.
    Zena verschwand kurz und kehrte mit der Kleinen in den Armen zurück. Sie wollte sie Elizabeth reichen, aber die war japsend auf die Knie gesackt und hielt sich die Seiten, weil sie nach dem rasenden Lauf keine Luft mehr bekam. Gleich darauf nahm sie jedoch das Kind und presste es weinend an sich.
    Als sie nach einer halben Ewigkeit zum Haus hinuntergingen, war fast das ganze Dorf zusammengelaufen. Auch Oleg, Jerry und Deirdre waren inzwischen vom Strand zurückgekehrt. Deirdre hielt Johnny auf dem Arm und wollte ihn überhaupt nicht mehr herunterlassen, und Oleg schaute über die Maßen grimmig drein.
    » Ihm ist der Schreck in die Glieder gefahren « , vertraute Jerry Elizabeth an. » Und mir auch. Wir hätten bei Euch sein müssen, wisst Ihr? Immerhin ist es unsere Aufgabe, Euch mit unserem Leben zu beschützen. «
    » Ich konnte mir selbst helfen. «
    » Ja, aber das hätte auch leicht schiefgehen können. Master Duncan wird es Oleg und mir sehr übel nehmen. «
    » Er sollte es sich vielleicht lieber selber übel nehmen « , entfuhr es ihr. » Er hätte uns ja mitnehmen können. « Gleich darauf bereute sie diese unangebrachte Bemerkung. Niemandem war damit gedient, wenn sie auf Duncan wütend war. Er hatte immer nur ihr Bestes gewollt.
    Jemand hatte zwei der toten Indianer wiedererkannt– es waren Brüder, die von Guadeloupe stammten. Ihr Vater war im vergangenen Jahr wegen Diebstahls verhaftet und gehenkt worden, worauf die Brüder versucht hatten, die Residenz des Gouverneurs niederzubrennen. Man hatte sie geschnappt und ebenfalls zum Tode verurteilt, aber bevor man sie hinrichten konnte, waren sie von der Insel geflohen, zusammen mit ein paar weiteren Kariben und einigen Schwarzen. Henri Perrier hatte damals als Richter fungiert, er hatte die Urteile gefällt. Elizabeth fröstelte, als sie die Leute darüber reden hörte. Das Motiv für den Überfall auf die Plantage war also Rache gewesen. Nur deswegen hatten so viele Menschen an diesem Tag ihr Leben verloren.
    Felicity stand immer noch unter Schock, was sich daran zeigte, dass sie kaum sprach und ihre Sachen nicht neu packte. Sie

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