Wind der Traumzeit (German Edition)
und Plätzchenbacken kamen ihr sonderbar vor. Aber sie wollte ihren Kindern auch etwas von den Bräuchen aus ihrer Heimat vermitteln. Sie war aufgeblüht, denn die Sorge um Sophie war von ihr genommen, und das Alltagsleben mit den Kindern hatte sich besser eingespielt. Und aus Hamburg erhielt sie relativ regelmäßig E-Mails von Niklas, der ein wenig aufzutauen schien.
Die Sammlung der Traumzeit-Erzählungen, an denen sie so lange gearbeitet hatte, war fertig gestellt, und Nora hatte mit Marrindi über ihre Pläne gesprochen, für die Siedlung und die Künstlerwerkstatt etwas bewegen zu wollen. Marrindi und Banggal waren dieses Thema dann mit den Ältesten der Dorfgemeinschaft durchgegangen und hatten schließlich ihr Einverständnis für eine mögliche Veröffentlichung gegeben. Aufgeregt und doch schon glücklich darüber, so weit gekommen zu sein, hatte Nora den Kontakt zu ihrem alten Verlag in Hamburg gesucht. Man war sehr aufgeschlossen gewesen und hatte um die Übersendung des Manuskripts gebeten. Nun hieß es zwar noch abzuwarten, doch sie hatte irgendwie das Gefühl, dass sie eine Chance bekommen würde.
Die australische Landschaft brütete unter der Sommerhitze. Die Gräser der ausgedehnten Weidegebiete in der Umgebung hatten ihre grüne Farbe verloren und gingen in gelbe, strohartige Töne über, die sich leuchtend von der roten Erde abhoben. Die Blätter der dünnen Sträucher und Bäume rollten sich durch die anhaltende Trockenheit ein und verloren ihren satten Glanz. Im rötlichen Abendlicht kam es Nora jedes Mal aufs Neue so vor, als würde das Land anfangen zu glühen. Der im Winter und Frühjahr von diversen Platzregen angefüllte Fluss war nur mehr ein Flüsschen, das man problemlos zu Fuß durchqueren konnte, ohne dass man dabei sehr nass wurde.
Oft fuhr Nora mit den Kindern dorthin, denn Maries Stute Chocolate stand jetzt mit einigen anderen Pferden ganz in der Nähe auf einer Außenkoppel des Reitvereins. Die Kinder hatten einen Heidenspaß, die Tiere zu versorgen und anschließend ein wenig im seichten Wasser zu plantschen. Nora hielt Steven auf dem Arm, der mit aufmerksamem Blick seine Schwestern beobachtete und dann und wann aufgeregt mit seinen kleinen Händen fuchtelte. Nora ahnte bereits jetzt, dass er es sich nicht nehmen lassen würde, schon im nächsten Jahr gemeinsam mit den Mädchen durch das flache Wasser zu stapfen. Manchmal, wenn er ihr zu schwer wurde, setzte sie sich mit ihm auf dem Arm auf einen großen Felsen am Ufer und sah ihren Töchtern zu. Es machte sie glücklich, wie unbeschwert und gesund sie herumtobten.
Der Wechsel von Deutschland nach Australien schien sie nie wesentlich belastet zu haben. Es hatte nicht lange gedauert, und Marie war mit der Sprache und der Schule gut zurechtgekommen. Sicher lag dies auch daran, dass Tom nur Englisch sprach. Auf diese Weise wuchsen Marie, Sophie und Steven nun sogar zweisprachig auf, denn Nora unterhielt sich deutsch mit ihnen.
Sie wollte ihren Kindern die Möglichkeit offen halten, sich später einmal auch in der Heimat ihrer Mutter zurechtzufinden oder sich problemlos mit den Großeltern zu verständigen. Steven war in ihrem Arm eingeschlafen. Der Schnuller in seinem Mund bewegte sich in kurzen Abständen und verriet, dass er noch nicht sehr tief schlief. Nora betrachtete ihn lächelnd und scheuchte die Fliegen fort. Dann schaute sie über die lachenden Mädchen am Wasser hinweg und ließ ihren Blick schweifen. Der Abend war angebrochen, und eigentlich wurde es Zeit, nach Hause zu fahren. Doch ihr gefiel die Landschaft zu dieser Tageszeit immer ganz besonders. Sie dachte an ihren ersten Besuch zurück.
Der frühe Morgen und der beginnende Abend waren die Tagesabschnitte gewesen, die ihr Herz für diesen Kontinent erobert hatten. Das warme Sonnenlicht ließ die Wasseroberfläche glitzern. In der Baumkrone eines etwas entfernt stehenden riesigen Fluss-Eukalyptus versammelten sich Schwärme kreischender Galahs, die sich offensichtlich zum Trinken und für ein abendliches Bad eingefunden hatten. Auf den sonnenwarmen Felsen lagen versteckt ein paar Eidechsen und dösten träge vor sich hin. Vor ihnen am Ufer wateten zwei Löffler durch das seichte Wasser und siebten auf der Suche nach einem Leckerbissen den Schlamm mit ihrem Schnabel. Ihre Knopfaugen schienen immer wieder prüfend den Sicherheitsabstand zu den plantschenden Kindern abzuschätzen. Nora schaute zum Himmel auf. Das gleißende Licht der Sonne hatte in wärmere
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