Wind der Traumzeit (German Edition)
und liefen kreuz und quer, um alle Lichter der Pistenbefeuerung wieder anzuzünden. Phil, Kim und Tom brachten inzwischen Wudima in die Kingair. Gleich darauf winkten sie den Umstehenden kurz zu, schlossen die Türen und nahmen selbst ihre Plätze ein. Minuten später hob das Flugzeug in den dunklen Himmel ab und nahm Kurs auf Cameron Downs. Trotz sofort verabreichter Medikamente war Wudimas Zustand ernst. Unzählige schwere Asthmaanfälle im Laufe ihres Lebens hatten das Herz der alten Frau geschwächt. Besorgt blieben Tom und Kim bei ihr sitzen und überprüften immer wieder ihre Werte. Am Hangar erwartete sie nach der Landung bereits ein Ambulanzwagen, der die Patientin in die Klinik bringen sollte.
Als Nora Wudima zwei Tage später besuchte, ging es dieser bereits wieder besser. Unruhig fuhren ihre dunklen Hände über die weiße Bettdecke und verrieten ihre Ungeduld, aus dem Krankenhaus zu kommen. Nora hatte ihr frisches Obst mitgebracht und unterhielt sich eine ganze Weile mit ihr, ehe sie zum Empfang zurückmusste, wo eine Schwester auf Sophie und Steven aufgepasst hatte.
Mit den beiden Kindern fuhr sie anschließend zum Einkaufen. Auf dem Heimweg nahm sie wieder einmal wahr, wie trocken das Land geworden war. Die Gräser hatten sich strohgelb verfärbt und nickten müde im heißen Wind, der rote Sandschwaden über die Straße trieb. Die ehemals grünen Weiden schienen sich förmlich in Staub aufzulösen. Es kam Nora unglaublichvor, dass schon in ein paar Tagen Weihnachten vor der Tür stand. Besorgt nahm sie – während der Alltag normal weiterlief – die Radiomeldungen über die Buschfeuer im Landesinneren zur Kenntnis und beruhigte sich damit, dass die verheerenden Brände noch nie bis Cameron vorgedrungen waren. Und doch befiel sie in dieser Hinsicht immer wieder Angst, denn schließlich hatten auch Millionenstädte wie Sydney oder Canberra schon die Macht solcher Feuer zu spüren bekommen. Nora erinnerte sich an Fernsehberichte über die infernalischen Brände in Sydney 2001. Fünfzehntausend Feuerwehrleute hatten auf einer Feuerfront von zweitausend Kilometern gekämpft. Doch das Feuer war über die Eindämmungslinien hinweggerast und in die Vororte übergesprungen. Verstörte, fassungslose Menschen hatten evakuiert werden müssen. Durch unvorstellbare Hitze und einen dichten schwarzgrauen Qualmschleier waren die Menschen zu den Stränden geflüchtet, während in den Straßen ihrer Wohngebiete ungezügelte Flammen über den Boden getänzelt und vom Wind vorwärts in die Gärten und Häuser gepeitscht worden waren.
Nora vergaß über die Feiertage jedoch ihre Sorge. Sie war dankbar, dass Sophie wieder ganz gesund war und sich mit den anderen munter und aufgekratzt auf das Fest freuen konnte. Für Aufregung und Ablenkung hatte auch ein Angebot aus Deutschland gesorgt. Der Verlag wollte die Traumzeit-Geschichten herausgeben. Nora war außer sich vor Freude den ganzen Tag mit dem Brief herumgelaufen und hatte ihn immer wieder gelesen. So verlebten sie friedliche Weihnachtstage und genossen es, dass Tom mehrere Tage Urlaub hatte.
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K urz nach Weihnachten wurde die Sorge wegen der Brände wieder real. Die Feuer hatten sich unvorstellbar weit ausgebreitet und wälzten sich vom Landesinneren in die dichter besiedelten Randregionen des Kontinents vorwärts. Auch Cameron Downs befand sich plötzlich nicht mehr außerhalb jeder Gefahr. Monatelang hatte es nicht geregnet. Das Land litt unter nur fünf Prozent Luftfeuchtigkeit, und starke Winde schienen die Dürre förmlich vor sich herzutreiben.
Nora hatte in der Nacht kaum Ruhe gefunden. Als sie im Morgengrauen leise auf die Veranda trat und unruhig in die Dämmerung starrte, konnte sie das Feuer bereits riechen. Sie machte ein paar Schritte in den Garten und wandte sich dann zum Haus um. Im ersten Licht des Tages schien es sich friedlich schlafend unter zwei große Bäume zu schmiegen. Nora betrachtete es. Dies war ihr Zuhause. Wie froh und stolz waren sie und Tom gewesen, als der Anbau, den sie so liebevoll geplant hatten, so rasch und gut hatte fertig gestellt werden können, ohne dass der ursprüngliche Charakter des Hauses verändert wurde. Hell und freundlich waren die Räume. Ihr Platz zum Leben – voller Licht und Wärme. Nora senkte einen Moment den Kopf, bevor ihr Blick wieder durch den staubigen Garten wanderte. Wegen der Dürre musste Wasser gespart werden. Alles war ausgedörrt und schien förmlich zu ersticken. Die Pflanzen warfen ihre
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