Wind der Traumzeit (German Edition)
Sie war braun gebrannt und lachte aus vollem Halse darüber, dass Josh jetzt bei einem erneuten Sprung ins Becken die Badehose heruntergerutscht war. Sams Herz schlug unwillkürlich schneller. Verdammt, alles war absolut perfekt. Warum hing sie nur mit solcher Beharrlichkeit an ihrem Job? Es könnte immer so sein wie jetzt. Es ärgerte ihn, dass Josh des Öfteren von der Nachbarin betreut werden musste, wenn Caroline nicht pünktlich aus der Praxis rauskam. Und es ärgerte ihn ebenfalls, dass ermanchmal nach Hause zurückkehrte und niemand ihn erwartete. Er wusste zwar, dass seine Einstellung altmodisch war, doch etwas nagte an ihm, wenn seine Frau oftmals abgehetzt, aber mit glücklich blitzenden Augen von der Arbeit heimkam, weil es ihr gelungen war, irgendeinem fremden Kind eine perfekte Füllung zu verpassen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, stünde ihr eigenes Kind immer an erster Stelle, vielleicht sogar mehrere Kinder, denn für ihn gehörte Kinderlärm zu einer richtigen Familie. Er beobachtete Josh. Sein Sohn war inzwischen acht Jahre alt. Sicher wäre es schöner für ihn, mit Geschwistern aufzuwachsen, aber davon wollte Caroline nichts wissen, und bald wäre es zu spät dafür … Seufzend lockerte er die Krawatte und ging ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Als er das Zimmer betrat, fiel sein erster Blick auf das Paket aus der Reinigung, das Caroline achtlos aufs Bett geworfen hatte. Missmutig betrachtete er den Stapel frisch gebügelter Arztkittel. Wenn sie nur nicht dieses verdammte Studium absolviert hätte. Er zog die Anzughose aus und ließ sich aufs Bett sinken. Die verfluchte Tradition bei den Morrisons. Ein böser Seitenblick streifte ein Foto in der Schrankwand, das Caroline Arm in Arm mit ihrem Bruder Tom und ihrer Mutter zeigte. Auch sein wunderbarer Schwager war Arzt. Ganz der Vater. Ein höhnischer Zug legte sich um seine Lippen. Catherine, seine Schwiegermutter, ließ auch keine Gelegenheit aus, diese Tatsache hervorzuheben. Und er? Er würde bald eines der größten Hotels in Darwin allein führen. Als stellvertretender Direktor war dies nur noch eine Frage der Zeit. Er hatte in Amerika und Europa gearbeitet und sprach fließend drei Sprachen. Er war stolz auf den Teamgeist, den er vor Jahren als zarte Pflanze in seine Mitarbeiter gesetzt und kontinuierlich gepflegt hatte. Inzwischen schien aus dieser Pflanze ein Baumgeworden zu sein. Alle identifizierten sich mit ihrer Aufgabe im Darwin Palace. Vom Empfangschef bis zur Küchenaushilfskraft, vom Zimmermädchen bis zur Hausdame wusste jeder, dass er wichtig war für das reibungslose Funktionieren der Hotelmaschinerie … Verdammt, das war allein sein Verdienst. Zählte das nicht? Kopfschüttelnd erhob er sich, stieg in seine Badehose und ging zur Tür.
5
N ora fühlte sich seltsam fremd in ihrem Kostüm. In den dazu passenden neuen Pumps konnte sie nicht so schnell gehen wie in den sportlichen Mokassins, die sie sonst zu ihren Hosen trug. Ihr war nicht bewusst, wie gut sie aussah. Ihr glänzendes goldbraunes Haar war locker aufgesteckt und betonte ihren zarten Hals. Mit unterdrückter Aufregung ging sie auf ihre Anwältin zu, die eine Aktenmappe abstellte und sie mit ausgestreckter Hand begrüßte. Über ihrem anderen Arm hing die schwarze Robe, die sie gleich überziehen würde.
»Guten Tag, Frau Bergmann. Alles klar für den großen Tag?« Nora erwiderte ihren Gruß und nickte. »Ja, schon, Frau Dr. Emmier. Aber es ist doch irgendwie ein merkwürdiges Gefühl.«
Die Anwältin bemühte sich, Anteil zu nehmen. »Das glaube ich Ihnen.«
Nora bezweifelte, dass sie dieses Gefühl auch nur annähernd nachempfinden konnte. Schließlich waren Ehescheidungen ihr Job und somit Alltag für sie. Als sie Schritte auf dem Gang vernahm, wandte sie sich um. Max kam mit seinem Anwalt heran. Nora schluckte, als ihr Mann sie kurz anlächelte. Er sah gut aus in seinem dunkelblauen Anzug. Das schneeweiße Oberhemd bot einen interessanten Kontrast zu seinem dunklen Teint. Stahlblaue, wache Augen musterten sie, bevor er ihr freundlich zunickte und sie begrüßte, indem er ihr die Hand reichte, sich vorbeugte und sie flüchtig auf die Wange küsste. Auch die Anwälte wechselten ein paar Worte. Alles schien Routine zu sein. In Noras Kopf flatterten jedoch viele Gedanken durcheinander.
Auch im Gerichtssaal hatte sie Mühe, sich auf die Verhandlung zu konzentrieren. Dennoch beantwortete sie automatisch alle Fragen zum Sorgerecht. Wenig später studierte
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