Wind der Traumzeit (German Edition)
wirkliche Rolle in Noras Leben oder gar im Leben seiner Kinder spielen würde. Und doch schien es so zu sein. Er versuchte sich und Niklas zu beruhigen, indem er ihn damit tröstete, dass es sich bestimmt nur um einen Anstandsbesuch handelte, bei dem er die kleine Sophie kennen lernen wollte. Doch Niklas berichtete ihm aufgelöst davon, wie viel Zeit Nora mit Tom verbrachte, und kam zum Schluss darauf zu sprechen, dass er gehört hatte, wie die beiden über ihre Pläne, nach Australien zu gehen, geredet hätten.
Nur mit Mühe gelang es Max, die Fassung zu wahren. Er war froh darüber, dass sein Sohn kurz darauf zum Judotraining aufbrechen musste und ihr Gespräch hier vorerst endete.
Allein mit sich, hatte er eine unruhige Wanderung durch seine Wohnung aufgenommen und war schließlich auf der Dachterrasse stehen geblieben. Nachdenklich sah er über die Dächer Hamburgs bis zum Michel und hörte dem gedämpft nach oben dringenden Lärm der Autos und S-Bahnen zu. Ein paar Baumkronen in der Straße zeigten erste grüne Knospen. Müde rieb er sich die Schläfen und fuhr sich durch das silbergraue Haar über den Ohren. Er wusste, dass er kein Recht mehr hatte, sich in Noras Leben einzumischen. Sie waren nun geschieden.
Geschieden – noch immer hatte er sich nicht an dieses Wort gewöhnen können. Es war für ihn gleichbedeutend mit Verlust, Versagen und Enttäuschung. Und doch hatte das Trennungsjahr dazu geführt, dass auch er sich mit seinem neuen Leben abgefunden hatte. Der gute Kontakt zu seinen Kindern hatte ihm dabei geholfen, und die Tatsache, dass er beruflich mittlerweile voll aufdrehen konnte – ohne das früher so oft aufgetretene schlechte Gewissen der Familie gegenüber –, verschaffte ihm viel Anerkennung, aus der er Zufriedenheit und Selbstbewusstsein zog. Bis auf wenige nicht ernst zu nehmende kurze Flirts hatte er aber noch keiner Frau die Gelegenheit gegeben, einen Platz in seinem Leben einzunehmen. Die Aufmerksamkeit junger Kolleginnen im Verlag schmeichelte ihm zwar, aber er war doch umsichtig genug, nie ganz die Frage aus seinem Kopf zu verdrängen, ob sie sich wirklich für ihn interessierten oder ob sie sich nicht aufgrund seiner Stellung im Verlag einfach nur Vorteile erhofften. Er nörgelte auch nicht — wie einige seiner Kollegen – darüber, dass er einen nicht unerheblichen monatlichen Betrag für den Unterhalt bezahlen musste. Er sah dies als normal und selbstverständlich an, als seinen Beitrag zum Leben seiner Familie. Seiner Familie. Er spürte, wie Wut in ihm aufstieg. Auch wenn Nora auf ihn keine Rücksicht mehr nehmen musste, sie hatte verdammt noch mal Rücksicht auf die Gefühle ihrer Kinder zu nehmen. Max beschloss in diesem Moment, sich ein Bild von dem Ganzen zu machen. Er zog seinen kleinen elektronischen Terminplaner aus der Brusttasche seines Oberhemds und überprüfte die Termine der nächsten Tage. Rasch blockierte er die wenigen Lücken, damit seine Sekretärin ihn nicht weiter würde verplanen können. Mit zusammengebissenen Zähnen steckte er seinen Organizer wieder ein. Niemals würde er seine Kinder an diesen Mann abtreten. Er verließ die Dachterrasse und ging in der Wohnung zu seinem Schreibtisch, um zu telefonieren. Gleich darauf ließ er sich einen Termin bei seinem Rechtsanwalt geben. Notfalls müsste er eben die Justiz bemühen, Nora daran zu hindern, womöglich seine Kinder außer Landes zu bringen.
Einige Tage später ließ das Läuten des Telefons Nora zusammenfahren. Sie hatte direkt neben dem Apparat gestanden undwar damit beschäftigt gewesen, Ordnung in das wüste Sammelsurium von Jacken, Mützen, Halstüchern und Fleece-Pullovern zu bringen, das sich in schönster Regelmäßigkeit immer wieder in der Diele einfand. Sie hängte eine Jacke an die Garderobe und griff zum Hörer. »Bergmann.«
»Ja, hier auch.«
Nora konnte eine gewisse Nervosität nicht unterdrücken. »Hallo, Max.«
»Ich muss dich sprechen, Nora. Hast du morgen Abend Zeit?« Noras Herz schlug schneller. Sie ahnte, dass es etwas Unangenehmes war, und sie sehnte sich danach, dass endlich Ruhe einkehrte. »Worum geht es denn, Max?«
»Das würde ich lieber in Ruhe besprechen. Also, morgen Abend?«
»Ich werde meine Eltern anrufen und sie fragen, ob sie auf die Kinder aufpassen. Aber ich denke, es wird klappen.«
»Gut. Soll ich dich abholen oder wollen wir uns so um acht im Stromboli treffen?«
»Wir können uns dort treffen. Bis dann.«
Mit einem unbehaglichen Gefühl legte Nora
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