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Wind der Traumzeit (German Edition)

Wind der Traumzeit (German Edition)

Titel: Wind der Traumzeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin Busch
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Schreibtisch und dachte nach. Der PC surrte leise und erinnerte ihn daran, dass er eigentlich mit der Internet-Recherche für sein Biologiereferat beschäftigt sein sollte. Als Marie sich eben einen Radiergummi von ihm geliehen hatte, war ihm erneut aufgefallen, wie sehr sich seine früher so fröhliche kleine Schwester verändert hatte. Seine Gedanken kreisten wieder um das Thema, das ihn nun schon seit Wochen beschäftigte. Er wollte nicht fort von hier. Aber er wollte auchnicht mehr diese bösen Auseinandersetzungen zwischen seinen Eltern miterleben, die eigentlich nur alle unglücklich machten und in reine Machtkämpfe ausarteten, nach dem Motto: »Ich kriege die Kinder!« – »Nein, du kriegst sie nicht!« Obwohl Niklas sich auf die Seite seines Vaters gestellt hatte, missfiel ihm dessen offensichtliche Freude daran, seine Mutter per Anwalt zur Verzweiflung zu treiben beziehungsweise sie zu einer Entscheidung zwischen Tom und ihren Kindern zwingen zu wollen. Seufzend wandte er sich seinem PC zu.
    Noras Hände zitterten bereits, bevor sie den Briefkasten wieder verschlössen hatte. Ein Blick auf den Briefumschlag hatte genügt, und sie wusste, dass das Schreiben von Max’ Anwälten kam. Sie klemmte sich die Fernsehzeitung und die Werbezettel unter den Arm und ging mit der Post in die Küche. Tom war mit Sophie spazieren gefahren, Marie spielte mit Kuno im Garten, und Niklas saß oben in seinem Zimmer über den Hausaufgaben. Sie konnte den Brief also in Ruhe lesen und musste sich vor niemandem zusammennehmen.
    Ihr Herz schlug rasend schnell, als sie sich an den Küchentisch setzte und das Schreiben aus dem Umschlag zog. Sie zwang sich dazu, noch einmal tief durchzuatmen, dennoch gelang es ihr nicht, ihr Unbehagen zu verdrängen. Zu viele solcher Schreiben hatten sie in den letzten Wochen erreicht und sie zermürbt. Sie hatte den unterkühlten Fachjargon der Anwälte fürchten gelernt. Scherten die sich überhaupt darum, was sie bei den betroffenen Leuten anrichteten? Ging es denn nur darum, einen Fall zu gewinnen oder zu verlieren? Langsam senkte sie den Kopf und begann zu lesen. Wieder und wieder las sie den Brief und bemerkte gar nicht, dass ihr die Tränen in dieAugen geschossen waren. Mühsam sickerte der Sinn der glatten Formulierungen in ihr Bewusstsein. Max hatte nunmehr das alleinige Sorgerecht für Niklas und Marie beantragt. Er wollte ihr die Kinder wegnehmen. Die Begründungen für diesen Antrag trafen sie sehr. Zutiefst verzweifelt legte sie die Unterarme auf den Tisch, vergrub ihr Gesicht darin und weinte stumm. Nur das haltlose Zucken ihrer Schultern verriet, dass sie wirklich nicht mehr weiterwusste.
    Niklas stand wie versteinert in der Diele und starrte durch die angelehnte Küchentür seine Mutter an. In der Hand hielt er den Locher, den er sich gerade aus dem Arbeitszimmer geholt hatte, um die frisch ausgedruckten Seiten für sein Biologiereferat lochen und abheften zu können. Im ersten Moment war er versucht, zu ihr zu laufen, um sie zu trösten. Doch dann zögerte er. Vielleicht wäre es ihr unangenehm, dass er sie so entdeckt hatte? Sein Blick fiel auf den Brief, der vor ihr auf dem Tisch lag. Auch er erkannte den Briefkopf und das Firmenzeichen der Anwaltskanzlei, die seinen Vater vertrat. Solche Briefe waren in letzter Zeit häufig in der Post gewesen. Entschlossen wandte er sich um und ging leise die Treppe wieder hinauf.
    Drei Stunden später saß Niklas auf der Betoneinfassung eines Wasserspiels, das im Innenhof des großen Verlagshauses vor sich hin plätscherte. Die Frühlingssonne hatte sich gehalten und setzte glitzernde, tanzende Lichtpunkte auf die sprudelnde Wasseroberfläche. Er sah zum wiederholten Mal auf die Uhr. Sein Vater war – wie meistens – zu spät dran. Immerhin hatte er sich nach dem Anruf seines Sohns sofort bereit erklärt, ihn am Nachmittag zu treffen. Nach weiteren zehn Minuten kam Max Bergmann eilig durch die große Drehtür, sah sich suchend um und entdeckteNiklas schließlich. Mit einem Trenchcoat über dem Arm und seinem Aktenkoffer in der Hand ging er auf ihn zu.
    »Entschuldige, es hat etwas länger gedauert.« Er nestelte die Autoschlüssel aus der Hosentasche, während sie zum Parkhaus gingen. »Schon gut, Papa. Das Wetter ist ja okay. Es hat mir nichts ausgemacht zu warten.«
    Max warf ihm einen prüfenden Seitenblick zu. »Willst du mir nicht sagen, was du auf dem Herzen hast, hm?«
    Niklas betrachtete im Gehen beiläufig seine offenen Turnschuhe.

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