Wind der Traumzeit (German Edition)
schloss die Augen. Eine Weile sprach keiner von ihnen. Nora atmete so heftig, als hätte sie einen Dauerlauf hinter sich. Sie hatte in der letzten Zeit kaum geschlafen. Ihre Gedanken hatten sich ständig wie ein Karussell in ihrem Kopf gedreht. Sie war erschöpft und verzweifelt. Wieder einmal war sie an dem Punkt angelangt, an dem sie fühlte, dass es keine Zukunft für ihre Liebe zu Tom gab. Sie schluckte. Vielleicht war das hier die Strafe dafür, dass sie Max betrogen hatte. Dass sie einer Liebe nachgegeben hatte, gegen die sie einfach wehrlos gewesen war. Die Schuldgefühle ihren Kindern gegenüber hatten sie inzwischen derart zermürbt, dass sie ständig müde aussah. Ein bitterer Zug um ihren Mund war dabei, sich einzugraben. Sie schluckte heftig gegen die Verzweiflung an, die sie erneut zu überrollen drohte.
Max las in ihrem Gesicht. Er wusste, dass er dieses Mal nicht einfach aufstehen oder sie anherrschen würde, dass das Ganzedann eben von den Anwälten geregelt werden müsste. Erschreckend deutlich nahm er wahr, dass Nora am Ende war. Sie hatte sich vorgebeugt, die Hände vors Gesicht geschlagen, und weinte fast lautlos, aber das Zucken ihrer Schultern verriet ihm den Grad ihrer Verzweiflung. Betreten legte er einen Arm um sie und lehnte sie an sich. Auch Max war bewusst, dass sie sich an einem Scheidepunkt ihres Lebens befanden. Die Vorstellung, seine kleine Tochter nach Australien verschwinden zu lassen, quälte ihn ebenfalls. Seine Stimme klang belegt.
»He, Nora, du weißt, dass ich sie nicht unter uns aufteilen will. Aber wir können ihnen doch auch nicht einfach unsere Wünsche und Vorstellungen vom Leben aufzwingen. Wir dürfen sie auf ihrem Weg unterstützen, ihnen Halt geben, aber wenn sie so vernünftig sind wie unser Sohn, so liebenswert wie unsere Tochter, dann müssen wir ihnen auch eigene Entscheidungen zubilligen.« Er merkte selbst, wie nahe ihm das Ganze ging, denn auch er musste schlucken, ehe er fortfahren konnte.
»Glaub nicht, dass es für mich einen Triumph bedeutet, dass Niklas hier bleiben will. Du kannst dir kaum vorstellen, wie sehr es mich quält, Marie gehen zu lassen. Aber sie wäre unglücklich ohne dich – und ohne ihre kleine Schwester. Deshalb werde ich zustimmen, dass sie mit dir geht. Ich werde jeden möglichen Kontakt zu ihr halten, sie mit Niklas besuchen und ihr vor allem die Angst nehmen, dass sie mich verletzt, weil sie lieber bei dir bleiben will.« Er brach ab und fuhr sich nun selbst über die Augen.
Nora hob den Kopf. Ihr Gesicht war vom Weinen nass und ihre Wimperntusche verlaufen. Sie wusste plötzlich, dass Max es ernst meinte und dass er Recht hatte. Sie versuchte sich die Tränen mit den Handrücken abzuwischen, aber immer nochfolgten neue. Sie fühlte, dass der Knoten, der sich um ihr Herz geschlungen hatte, dabei war, sich zu lockern. Dass dies vermutlich der Preis war, den sie für ihre Liebe zu Tom bezahlen musste. Aber sie hatte keine Ahnung, wie sie sich ein Leben ohne ihren Sohn vorstellen sollte und ob der Schmerz darüber je verblassen würde. Sie sah Max an.
Es war offensichtlich, dass er ebenfalls Probleme mit der Situation hatte. Selten zuvor hatte sie ihn so betroffen erlebt. Nora nahm zitternd einen tiefen Atemzug. Ihre Stimme klang noch unsicher. »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, Max. Seit sie auf der Welt sind, habe ich mich um sie gekümmert. Mir ist, als müsste ich meinen rechten Arm hier lassen.«
Max lehnte sich wieder zurück. »Ich weiß, mir geht es ähnlich. Mehr denn je ist mir klar geworden, dass ich oft zu wenig Zeit für euch hatte, aber seit wir uns getrennt haben, weiß ich, wie wichtig ihr mir seid … ich meine, was für tolle Kinder Niklas und Marie sind.«
Nora sah überrascht auf. Diese Seite an Max war ihr neu. Verheult wanderten ihre Augen dann wieder über den Fluss, dessen dunkle Wellen leise an das Ufer schwappten. Im Gegensatz zu den frühlingshaften Temperaturen des Tages war es jetzt sehr kühl geworden, und die Luftfeuchtigkeit schien die Böschung förmlich emporzukriechen wie ein Tier, das sich vorsichtig auf die Lauer legte. Nora fröstelte. Erneut atmete sie zitternd ein und aus. »Ich muss darüber nachdenken.« Sie fühlte sich krank vor Kummer. »Obwohl mir schon jetzt klar ist, dass du wahrscheinlich Recht hast, Max.« Ihre Mundwinkel zuckten. »Aber, es tut so schrecklich weh.«
Er nahm ihre Hand und drückte sie. »Ich weiß, Nora.«
11
S am Winton atmete erleichtert auf, nachdem er
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