Wind der Traumzeit (German Edition)
dunkelblaue Farbe an, die sich auszubreiten schien. »Wir sollten machen, dass wir nach Hause kommen. Das schaut nach einem Gewitter aus.« Nora lenkte den Wagen um das tote Känguru herum und fuhr rasch weiter.
Niklas blickte zum Himmel. »Wäre das schlimm? Ich meine, wenn wir in ein Gewitter gerieten?«
Nora schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Nur manchmal bringen diese Gewitter einen solchen Platzregen mit sich, dass die Straßen unpassierbar werden.« Sie wollte ihn nicht beunruhigen und fügte hinzu: »Aber wir haben ja den Jeep, und vielleicht schaffen wir es auch bis nach Cameron Downs, ehe es losgeht.«
Minutenlang hing Niklas seinen Gedanken nach. Unvermitteltfragte er dann: »Du kennst wohl inzwischen alle Tiere hier in Australien, oder?«
Nora lachte. »Nein, ganz bestimmt nicht. Ich glaube auch kaum, dass das möglich ist. Die Lebensräume auf diesem Kontinent sind so unterschiedlich, dass sie den verschiedenartigsten Tieren Platz bieten.« Sie schwieg einen Augenblick, ehe sie fortfuhr. »Ein ganz besonderer Wunsch hat sich für mich auch noch nicht erfüllt. Ich würde für mein Leben gern einmal Wale beobachten. Es muss zu schön sein, diese friedlichen Riesen in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen.«
Sie plauderten eine Weile, und Nora war froh, dass sie gut vorankamen. Immer wieder gingen ihre Blicke zu den Wolken am Himmel, die inzwischen bizarre Formationen bildeten und sich in ein einzigartiges Farbspektakel aus unterschiedlichen Blauund Grautönen hüllten. In der Ferne zuckten bereits die ersten Blitze.
Auch Niklas schien die Erwartungshaltung der Natur zu bemerken und sah aufmerksam nach draußen. »Diese Gewitter nach der langen Dürre, die lösen die Buschfeuer aus, nicht?« Nora zuckte innerlich zusammen. Die riesigen Feuer, die diesen Kontinent jedes Jahr heimsuchten, gehörten nicht zu ihren Lieblingsthemen. Sie hatte eine beinahe unerklärliche Angst vor der Macht, die von diesen Bränden ausging, ließ es sich jetzt jedoch nicht anmerken. »Ja, oftmals ist das so.«
Niklas schüttelte den Kopf. »Aber wieso brennt es hier so häufig? Und dann gleich immer so wahnsinnig?« Er schaute sich um. »Gut, es ist sehr flach und irre trocken, aber das kann doch nicht der einzige Grund dafür sein.«
Nora nickte und sah weiter auf die Fahrbahn. »Das hast du ganz richtig beobachtet. Australien ist in der Mitte ein ungeheuerflacher Kontinent. Trockene stürmische Winde können über weite Teile ungehindert hinwegpreschen. Wenn es also einmal brennt, breiten sich solche Feuer rasend schnell aus. Hinzu kommt die Trockenheit, und ein weiterer entscheidender Faktor sind die Eukalyptusbäume. Ihre vielen verschiedenen Arten – ich habe mal gelesen, es gibt über fünfhundert — machen etwa neunzig Prozent des australischen Baumbestands aus. Ihre Blätter enthalten das leicht entflammbare Eukalyptusöl. Ist es nun monatelang trocken und heiß, verdampft dieses Öl aus ihren Blättern und steigt in die Luft auf. Auf diese Weise entsteht zusammen mit aufkommenden Gewittern eine gefährliche Kombination.«
»Wow! Das ist ja irre.«
Ehe er noch etwas hinzufügen konnte, knackte das Funkgerät. Toms Stimme war zu hören.
»Delta Foxtrott Tango ruft Morrison Mobile. Nora, bist du da?« Sie lächelte erfreut und drückte routiniert eine Taste. »Hier Morrison Mobile. Hallo, Tom. Uns geht es gut, wir sind schon auf dem Rückweg. Wo steckst du denn?«
Es rauschte kurz in der Leitung, ehe sie seine Stimme wieder vernahm. »Wir sind auf Kliniktour. Heute auf der Parbury Station. Ich wollte hören, ob bei euch alles in Ordnung ist. Wir haben auf dem Hinflug ein paar heftige Turbulenzen gehabt. Greg meint, es liegen Gewitter in der Luft.«
»Ja, es ist hier windig, und der Himmel ist von einem wahnsinnigen Blaugrau, aber wir kommen gut voran. Ich schätze, es sind noch etwa sechzig Meilen.«
»Okay, passt gut auf euch auf, ja? Ich freue mich auf nachher. Delta Foxtrott Tango. Ende.«
»Ich freue mich auch, Tom. Morrison Mobile. Ende.« Ein Blickzu Niklas verriet ihr, dass seine Plauderlaune vorüber war. Er sah stumm und angestrengt aus dem Fenster. Mit leichtem Bedauern konzentrierte sie sich wieder auf die Fahrbahn und ließ ihn in Ruhe.
In den nächsten Tagen blieb Niklas in sich gekehrt. Er machte einen nachdenklichen Eindruck, war aber nicht mehr so abweisend. Tom jedoch ging er wo immer er konnte aus dem Weg. Nora hatte hin und her überlegt, was sie tun könnte, um die Distanz zu ihrem Sohn
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