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Wind der Traumzeit (German Edition)

Wind der Traumzeit (German Edition)

Titel: Wind der Traumzeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin Busch
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das Haus in Hamburgplötzlich deutlich vor sich und Niklas und Kuno im Garten. Sie durfte ihrem Sohn nicht sagen, wie sehr er ihr hier fehlte, denn sie wusste, dass sie dazu kein Recht hatte. Um ihre Verunsicherung zu überspielen, wich sie aus und sagte leise: »Kuno fehlt mir manchmal noch wahnsinnig. Geht es ihm gut?«
    »Ja, der ist happy, wenn er mit Opa im Garten ist oder wenn er von Oma einen Leckerbissen abstaubt.« Er grinste. »Opa ist im Herbst halb wahnsinnig geworden, weil Kuno immer seinen Ball in den frisch zusammengeharkten Laubhaufen verbuddelt hat.«
    Nora lachte. »Das sehe ich vor mir.« Dann wurde sie ernst. »Oma und Opa geht es auch gut, nicht? Sie schreiben mir ab und zu. Kommst du mit ihnen klar?«
    Er nickte und wurde wieder einsilbig. »Ja, die sind okay.« Nora stöhnte innerlich. Immer wenn sie auf Niklas’ Situation in Hamburg zu sprechen kam, wurde er verstockt. Es war klar, dass er sie dafür verantwortlich machte. Im Grunde hatte er damit ja Recht. Sie wechselte das Thema.
    »Ich bin müde. Wie steht es mit dir? Willst du noch ein bisschen aufbleiben oder auch schon schlafen gehen?«
    »Ich bin auch müde. Ich gehe nur noch Marrindi gute Nacht sagen, dann komme ich rüber.«
    »Okay.« Nora sah ihm einen Moment lang nach. Würde es immer so zwischen ihnen bleiben, so neutral und unverbindlich? Sie schluckte. Niklas war und blieb ihr Kind. Sie konnte und wollte sich nicht damit abfinden, das Vertrauen, das einmal zwischen ihnen bestanden hatte, verloren zu haben. Langsam ging sie zu ihrer Unterkunft. Automatisch griff sie auf dem Schränkchen neben ihrer Liege zu einer Taschenlampe, um alle Zimmerecken auszuleuchten und unter dem Bettnachzusehen, ob Schlangen, Spinnen oder sonstige Tiere sich verirrt hatten. Immer noch hatte sie in dieser Hinsicht nichts von der stoischen Gelassenheit der Australier annehmen können. Danach machte sie sich bettfertig und genoss es, sich wohlig unter der Decke auszustrecken. Müde schloss sie die Augen und sah Tom vor sich. Kaum war sie nicht bei ihm, schon fehlte er ihr. Ihre Gedanken gingen zu Marie und Sophie, und sie freute sich auf das Wiedersehen mit ihren Mädchen. Langsam schlief sie ein.
    Am nächsten Tag verbrachten sie noch mehrere Stunden in der Siedlung. Nora fiel auf, dass Niklas Marrindis Nähe suchte. Der alte Mann schien großen Eindruck auf ihren Sohn zu machen. Sie ließ ihm die verbleibende Zeit und vervollständigte die Notizen, die sie sich zu den Traumzeit-Erzählungen gemacht hatte. Wudima beantwortete auch alle weiteren Fragen, die Nora noch mit sich herumtrug. Beschwingt und zufrieden packte sie gegen Mittag ihre Sachen zusammen und verstaute sie im Jeep. Es war heute merklich kühler als gestern, und der Wind türmte dunkle Wolkenfelder auf, die Regen anzukündigen schienen. Nora betrachtete den Himmel. Es hatte mehrere Monate nicht geregnet. Sie seufzte. Was wäre Niederschlag jetzt hier für eine Wohltat. Und wie oft hatte sie sich andererseits in Hamburg über trübes graues Nieselwetter geärgert. Aber eine solche Trockenheit wie hier war einfach nicht vorstellbar gewesen. Sie schlug die Heckklappe zu und schüttelte diese Gedanken ab. Es wurde Zeit aufzubrechen, und sie wollte sich noch verabschieden.
    Auf der Rückfahrt schwiegen beide eine Weile. Nora wollte die Ruhe auch nicht mit nervösem Geplapper ausfüllen. SowohlNiklas als auch sie selbst schienen die neu gewonnenen Eindrücke erst verarbeiten zu müssen. Nach geraumer Zeit auf der endlosen roten Piste verlangsamte Nora die Fahrt. In einiger Entfernung lag schräg vor ihnen ein totes Känguru auf der Fahrbahn, und als sie näher kamen, schwang sich ein riesiger Vogel in die Luft. Niklas’ Augen verfolgten ihn interessiert, ehe sein Blick mit leichtem Bedauern zu dem Känguru wanderte. »Der Vogel hat davon gefressen, nicht? Er sah aber gar nicht aus wie ein Geier.« Nora hatte das Tier ebenfalls beobachtet. Sie freute sich über die Gelegenheit, wieder mit Niklas ins Gespräch zu kommen. »Das war ein Keilschwanzadler, Nicky. Er ist Aasfresser, und in diesen Dürrezeiten lebt er fast wie im Schlaraffenland, weil viele Tiere verenden und ihm so Nahrung bieten.«
    »Wow! Und das Känguru?«
    Nora zuckte mit den Schultern. »Da es noch halb auf der Fahrbahn liegt, denke ich, dass es eher durch ein Auto oder einen Roadtrain gestorben ist.« Sie sah nach oben und betrachtete einen Moment die Wolkenberge. Der Himmel nahm auf der einen Seite eine unnatürlich

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