Wind Der Zeiten

auf einmal so feindselig verhältst?«
    Jetzt glitzerten seine Augen wütend. »Das liegt ja wohl auf der Hand. Erst dachte ich noch, ich würde mich irren. Aber dann bist du vor mir davongelaufen, voller Angst vor dem teuflischen Sohn der Feen, Alan Dubh, dem man alle Gemeinheiten zutraut. Mörder küsst man eben nicht.«
    »Das glaubst du doch selbst nicht!« Die Entrüstung klang sogar in meinen Ohren lahm. Ich hatte Zweifel gehabt, wenn auch nur für Sekunden. Und dafür schämte ich mich entsetzlich, aber ich brachte es nicht übers Herz, ihn zu belügen. »Ich gebe zu, im ersten Augenblick habe ich mich gefragt, wo du
zu der Zeit des Verbrechens gewesen bist. Aber doch nur aus Sorge um dich.«
    Verächtlich sah er mich an: »Wie dumm von mir zu glauben, du wärest anders.«
    »Ich bin nicht vor dir weggelaufen. Ich musste fort.« Verdammt, nun sag ihm schon, warum du so schnell verschwunden bist. Davon geht die Welt nicht unter , beschwor mich meine innere Stimme.
    »Natürlich. Und ich muss jetzt fort«, sagte er mit einem Blick auf die letzten an uns vorbeitrottenden Tiere. Seine Worte trieften vor Sarkasmus, und er drehte sich auf dem Absatz um.
    »Ich musste aufs Klo, du Hornochse«, brüllte ich hinter ihm her.
    Eine der Frauen drehte sich erstaunt nach uns um und flüsterte dann Mòrag etwas ins Ohr. Die fing an zu kichern und winkte mir zu, bevor sie mit dem letzten Trupp um eine Wegbiegung verschwand.
    Wir waren allein.
    Alan stoppte abrupt. »Wie bitte?«
    Gott, wahrscheinlich wusste er nicht einmal, was ein Klosett war. Womöglich hatte man das Wort viel später erfunden. Am liebsten hätte ich mir die Haare gerauft. »Hör zu, ich musste stundenlang eingeschnürt wie ein Rollbraten auf diesem verdammt unbequemen Stuhl sitzen, Unmengen Ale trinken, und dazu hatte ich auch noch höllisch kalte Füße. Wie lange, glaubst du, kann eine Frau das aushalten? Ich jedenfalls war froh, als Angus mir endlich erlaubte, meinen Platz zu verlassen. Als wir uns begegnet sind, wollte ich wenigstens einen klitzekleinen Kuss haben, bevor du wieder wer weiß wie lange zu deinen Clansleuten zurückkehren musstest.
Das war der Grund dafür, dass ich dich erst geküsst und mich dann so schnell aus dem Staub gemacht habe, um noch rechtzeitig den … Nachttopf zu erreichen.« Ich hatte mich in Rage geredet. »Und es war verdammt knapp, das kannst du mir glauben.«
    Mit drei langen Schritten war er bei mir und packte mich an den Schultern: »Ist das wirklich wahr?«
    Noch bevor ich nicken konnte, hatte er mich in seine Arme geschlossen, bis meine Füße den Boden nicht mehr berührten, und wir küssten uns, als gäbe es kein Morgen. Schließlich kam ich wieder zu Atem, heilfroh, dass die anderen längst außer Sichtweite waren. »Du magst zwar zuweilen furchteinflößend sein, aber ich habe dich in wichtigen Dingen nur als besorgten, verantwortungsvollen Mann und Chieftain kennengelernt. Niemals würde ich dir solch eine gedankenlose oder gemeine Tat zutrauen.«
    »Furchteinflößend?« Alan schien geschmeichelt. Doch dann blickte er mich besorgt an: »Hast du etwa Angst vor mir?«
    »Nein, aber davor, dass ich es nie schaffen werde, deine Leute dort oben wieder einzuholen.«
    Er lachte und pfiff eine seltsame Melodie. Kurz darauf kam Brandubh den Berg hinabgetrabt und schüttelte schnaubend seine Mähne.
    »Die Sorge können wir dir nehmen – nicht wahr, Bran?« Mit diesen Worten hob er mich einfach hinauf und schwang sich hinter mir auf das ungesattelte Pferd. Mit einem Arm hielt er mich fest an seinen harten Körper gepresst, und ich bedauerte es, dass wir die Gruppe der MacCoinnaichs vor uns so schnell wieder einholten.
    »Lass uns später weiterreden!«, flüsterte er, und in seiner Stimme klangen verführerische Versprechungen mit.

    Ich glitt von Brandubhs Rücken direkt vor Duncans Füße, der mich lachend auffing.
    »Holla, Mädchen! Wo kommst du denn her?«
    »Sei doch still!« Mòrag sah ihren Freund tadelnd an, und gemeinsam gingen wir weiter.
    »Kann ich das auch mal versuchen?« Zu gern wollte ich probieren, die Spindel zu drehen. Meine Freundin sah mich skeptisch an. »Man braucht geschickte Finger dazu.«
    »Die hat sie!« Und ehe ich noch etwas entgegnen konnte, war Alan weiter bergauf getrabt.
    »Nun, wenn der Gleanngrianach selbst es sagt …« Mòrags Augen glitzerten, während sie die notwendigen Handgriffe demonstrierte. Später gab sie mir ihre Spindel und führte meine Hand rhythmisch.
    Anfangs war es