Wind Der Zeiten
wird nicht ewig bleiben, und die Campbell, das sage ich dir, die wird nach ihrem ersten Kind krepieren, so wie es seine Mutter auch getan hat. Diese Fremden sind eben nicht so widerstandsfähig wie wir MacCoinnaich-Frauen. Und falls nicht …«
Den Rest konnte ich nicht mehr verstehen. Ich hörte die
Frauen in der Ferne lachen, dann waren sie fort. So schnell ich konnte, kehrte ich zum Bach zurück, um Hände und Gesicht zu waschen und den Mund auszuspülen. Mehr war vor all den Leuten, die mir immer wieder heimlich Blicke zuwarfen, wenn sie sich unbeobachtet fühlten, nicht drin. Bisher hatte ich sie nur für neugierig gehalten, aber nach dem belauschten Gespräch glaubte ich in einigen Gesichtern der jüngeren Frauen deutliche Ablehnung zu lesen. Aber das war ja absurd. Selbst wenn sich Alan mit diesen Mädchen vergnügt hatte, und ich war überzeugt, dass seine Talente als Liebhaber von reichlich Übung herrührten, so wussten doch alle, dass er eines Tages die Nichte des mächtigen Herzogs von Argyle heiraten würde. Ich wollte dem belauschten Gespräch nicht zu große Bedeutung beimessen, aber bei Gelegenheit vielleicht mit Mòrag darüber reden.
Jetzt signalisierte mir mein Magen, dass es wichtigere Dinge gab. Über dem Feuer brodelte bereits Haferbrei im Topf, und eine rundliche Frau füllte mir eine großzügige Portion in die Holzschale, die ich zusammen mit einem Hornlöffel in meinem Bündel gefunden hatte. Dazu drückte sie mir einen warmen Bannock in die Hand, der, wie ich bald feststellte, längst nicht so lecker schmeckte wie die Haferküchlein, die es in unserer Küche gab. Doch er stillte meinen Hunger, und darauf kam es an.
Bald nach dem Frühstück machten sich die ersten MacCoinnaichs auf den Weg zurück in ihre Täler, und auch die Leute aus Castle Griannach schnürten ihre Bündel. Mòrag hatte mir geholfen, den Verband zu erneuern. Die Wunden sahen schon wesentlich besser aus, stellte ich erstaunt fest. Dennoch graute es mir vor dem langen Abstieg. Aber ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen, denn schon
stupste mich eine Pferdeschnauze an, und Brandubh blies mir seinen warmen Atem ins Gesicht.
»Guten Morgen, mein Schöner.«
»Gewiss hast du mich gemeint.« Alan kam näher und lachte. Die kleinen Fältchen um seine Augen, die Lippen, die so gut zu küssen verstanden … ich hätte ihn auf der Stelle anfallen können.
»Bran wird dich tragen.« Er klang, als erwarte er Widerspruch, aber dieses eine Mal verzichtete ich auf jegliche Diskussionen und ließ mich bereitwillig auf den breiten Pferderücken heben. Wir winkten den zurückgebliebenen Hirten noch ein letztes Mal zu und machten uns dann auf den Weg nach Gleann Griannach. Jetzt, da es keine Tiere mehr zu beaufsichtigen gab, blieb Alan ausreichend Zeit, neben mir herzugehen. Nachdem wir einen schmalen Pass überquert hatten, griff er plötzlich in die Zügel und führte das Pferd nahe an die Felskante.
Der Blick, der sich uns von hier aus bot, war atemberaubend. Die Sonne hatte den Nebel im Tal aufgelöst, und nur ein paar Wolken hingen wie eine Herde aus zarten Wattebäuschen weit unter uns in den Baumwipfeln. Loch Cuilinn, der sich lang durch das Tal erstreckte, glitzerte vor den westlichen Sandstränden in einem unglaublichen Türkis. Ein Maler schien mit seinem Pinsel grüne Inseln in dieses perfekte Kunstwerk getupft zu haben. Die Luft war so klar und frisch, wie man sie selbst in den Bergen oder an der See nur selten erlebt.
Alan kam ebenfalls wie einem Gemälde entstiegen daher. Sein gegürtetes Plaid blähte sich in der leichten Brise. Und ich musste daran denken, wie der kunstvoll gemusterte Wollstoff uns gewärmt und vor dem leichten Regenschauer, der in der Nacht niedergegangen war, geschützt hatte. Ich betrachtete
sein zerzaustes Haar, das ihm heute lang über die breiten Schultern floss, das Profil mit den dunklen Augenbrauen, die er so häufig zusammenzog, wenn ihm etwas nicht gefiel, den kühnen Bogen der Wangenknochen, die er mit Lachlan gemeinsam hatte, und das feste Kinn, das, wie ich inzwischen wusste, tatsächlich eisernen Willen und Durchsetzungsvermögen signalisierte.
Träumend verweilte ich einen Moment beim Anblick seines sinnlichen Mundes, und der Gedanke daran, was er damit anstellen konnte, jagte das Blut schneller durch meine Adern. Kein Wunder, dass so manch eines der abergläubischen Dorfmädchen bereitwillig ihr Seelenheil und einige wohl auch ihre Jungfräulichkeit für eine Nacht mit
Weitere Kostenlose Bücher