Wind Der Zeiten
eines Tages entschloss er sich zu heiraten, denn wie jeder Chief brauchte er Söhne, die sein Erbe antreten würden, wenn einmal seine Zeit gekommen war.
Seine Auserwählte war eine MacDonald und kam von der Nebelinsel im Westen. Man sagt, sie sei zart und nicht sehr leidenschaftlich gewesen. Die MacLeods begegneten ihr, einer Fremden, auch dann noch mit Misstrauen, als sie schon den zukünftigen Erben unter ihrem Herzen trug. Eines Nachts verließ sie aus irgendwelchen Gründen die gemeinsame Schlafkammer oben im Turm. Vielleicht war sie auf der Suche nach dem treulosen Ehemann, denn der war bereits in der Hochzeitsnacht vor Morgengrauen aus ihrem Bett verschwunden. Wie man sagt, um seine Geliebte zu besuchen. Von ihr hieß es, sie habe ihn verhext, so verrückt sei er nach ihr gewesen. So ging das nun schon seit Monaten jede Nacht. Erst wohnte der Treulose seiner Angetrauten bei, wie es seine Pflicht war, dann lief er zu seiner Metze.
Die junge Lady aber fiel in der Dunkelheit die Treppe hinunter. Niemand hörte ihre Rufe, als sie hilflos auf den kalten Steinen
liegen blieb. Durch den Sturz verlor sie das Baby und starb in den Armen eines Wachmanns, der sie endlich im Morgengrauen fand.
Mit ihrem letzten Atemzug, so erzählte dieser später, habe sie den MacLeod von Gleann Grianach, seinen Clan und die teuflische Geliebte verflucht.
Die Metze des Chiefs fand man bald darauf mit gebrochenem Genick in einer engen Schlucht, wo sie vermutlich einer ihrer Ziegen hinterhergestiegen war. Douglas MacLeod starb an einem Hundebiss, und weil er keinen Nachfolger hinterließ, verstreuten sich die MacLeods bald in alle Winde. Die unglückliche Ehefrau jedoch spukt seit ihrem tödlichen Sturz im alten Turm, und man sagt, sie hat es dabei besonders auf Frauen abgesehen, die …«
»Mòrag, hör auf zu schwatzen, sonst wird das Abendessen niemals rechtzeitig fertig«, mischte sich Dolina ein, die gerade mit einem Korb voll schmutzigem Geschirr hereingekommen war. Sie winkte einem Spülmädchen. »Sieh zu, dass du nicht wieder etwas zerbrichst«, mahnte sie das schmächtige Kind, doch ihre Stimme klang mütterlich dabei. »Joanna, die Ladys bitten dich heute Nachmittag zum Tee. Mòrag wird dir rechtzeitig das Seidenkleid herauslegen.«
Meine Freundin warf mir einen entschuldigenden Blick zu und tunkte den Vogel, der während ihrer Geschichte nackt und vergessen vor ihr gelegen hatte, noch einmal kurz ins Wasser bevor sie ihm mit zwei raschen Schnitten die Füße abtrennte. Den Bürzel ereilte das gleiche Schicksal, und als sie anfing, im Bauch des Fasans herumzufuhrwerken und kurz darauf seinen Magen umstülpte, um den Inhalt in den bereitstehenden Eimer zu befördern, hätte sich mein Mittagessen beinahe hinzugesellt. Fluchtartig verließ ich die Küche.
Welche Frauen die weiße Lady auf dem Kieker hatte, konnte ich mir wohl denken. Ich dachte an meinen Sturz. Aber irgendetwas stimmte dennoch nicht, und plötzlich erinnerte ich mich, kurz zuvor eine Hand in meinem Rücken gespürt zu haben. Konnten Geister schubsen?
Ich glaubte es nicht, aber ehrlich gesagt traute ich auch niemandem solch eine Gemeinheit zu. Am allerwenigsten Mary. Und Geister gab es auch nicht!
Allmählich wurde ich schon genauso abergläubisch wie der Rest der MacCoinnaichs. Das kam ganz sicher von diesen gälischen Schauergeschichten, die man sich hier bei jeder Gelegenheit erzählte. Und was ist mit den violetten Augen? , fragte mich lautlos die ständig zweifelnde Stimme in meinem Inneren.
Über den neuen Priester war mir in den letzten Tagen schon so einiges zu Ohren gekommen, das mich nicht für ihn einnahm. Er ohrfeigte die Kinder ohne Grund und drohte den armen Gläubigen mit ewiger Verdammnis und Höllenfeuer, sollten sie nicht endlich von ihren alten Sitten lassen. Anabelle schien ihn nach Kräften zu unterstützen und hatte mit ihrem Gerede bereits Unruhe in den Haushalt gebracht. Er sollte sogar gesagt haben, dass man Weiber wie Kenna anderswo längst verbrannt hätte. Womit er zweifellos Recht hatte. Zum Glück würde Alan so etwas niemals zulassen, beruhigte ich mich.
Große Lust auf einen Nachmittag in Gesellschaft der Inquisition, wie ich insgeheim die neue Allianz von Anabelle und dem Pfaffen nannte, hatte ich zwar nicht, aber ich wollte mir selbst ein Bild machen, und immerhin würden sie mich garantiert von meinem geheimnisvollen Unfall ablenken.
Elegant gekleidet, allerdings ohne die wackeligen Pantoffel,
ging ich also wenig
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