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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Tuch hatte ich mit einem viel zu langen Lederriemen in der Taille befestigt und die vorderen Zipfel mit einer einfachen Gewandnadel vor meiner Brust festgesteckt, wie ich es mir bei Mòrag und anderen Frauen abgeschaut hatte. Obwohl die Farben des Himmels auch für den kommenden Tag schönes Wetter versprachen, wurden die Abende doch manchmal ziemlich kühl, sobald die Sonne hinter den hohen Gipfeln im Westen verschwand. Mit der Hand schützte ich meine Augen, als ich in ihre letzten Strahlen blinzelte, um mich zu vergewissern, dass ich auf dem richtigen Weg war. Danach drückte ich Brandubh meine Fersen in die Flanken, um ihn aus der gemütlichen Gangart heraus und in einen leichten Trab zu treiben. Ihn galoppieren zu lassen, wagte ich allerdings nicht. Die Spuren, die er auf dem Gras hinterließ, waren auch so vermutlich gut genug zu lesen, dass man mir mühelos folgen konnte, sobald meine Flucht entdeckt werden würde – sofern jemand daran interessiert war, mir zu folgen. Ich hielt es für viel wahrscheinlicher, dass Alan mir keine Träne nachweinte, sondern sich vielmehr freute, dass er mich so unkompliziert loswurde.
    Wieder einmal war ich auf einen Kerl reingefallen. Mein bitteres Lachen ließ Brandubh die Ohren spitzen. Ich klopfte seinen kräftigen, warmen Hals. »Du bist anders, mein Schöner. Du hast mir sogar durch die Jahrhunderte die Treue gehalten, und ich werde alles versuchen, damit wir beide bald wieder in unsere Welt zurückkehren können. Das verspreche ich.«
    Dies war auch der Grund, warum ich schweren Herzens
meine kleine Deargán zurückgelassen hatte. Die Stute stammte aus dieser Zeit und hatte nichts in der Zukunft verloren. Brandubh und ich aber, wir waren gemeinsam gekommen und würden mit etwas Glück auch gemeinsam wieder zurückkehren. Er schnaubte, als wollte er mir zustimmen, und trug mich mit raschen Schritten einer ungewissen Zukunft entgegen.
     
    Genau konnte ich mich nicht mehr an die Ereignisse der vergangenen Tage erinnern. Das meiste war wie in einem fürchterlichen Alptraum, verdeckt von roten Schleiern aus Schmerzen, Übelkeit und Fieberfantasien. Alles hatte kurz nach der Teestunde mit den Campbells begonnen. Das immer absurdere Gerede des Priesters war zu meiner großen Erleichterung von Lachlan unterbrochen worden. Viel länger hätte ich es auch nicht mehr ausgehalten.
    Als sich Lachlan zur Begrüßung galant über meine Hand beugte, hatte er mit seinen langen Rockschößen die Tasse vom Tisch gerissen. Ein Schwall Tee hatte sich über das einzige Seidenkleid ergossen, das ich besaß. Sehr böse war ich nicht darüber, denn nun gab es einen guten Grund, mich zu entschuldigen.
    In meinem Zimmer fand ich einen Krug Wein, etwas Brot und Käse. Mòrag hatte offenbar geahnt, dass ich nach der ungemütlichen Teestunde keine Lust auf die Gesellschaft der Campbells während des Abendessens haben würde. Ich zog das Kleid aus und versuchte so gut es ging, den Fleck herauszuspülen. Danach setzte ich mich mit einem Becher Wein ans Fenster, um ein wenig zu schreiben. Doch bald wurde mir übel. Außer dem Tee und einem Obsttörtchen hatte ich am Nachmittag nichts gegessen, und die Sahne war dem Geschmack
nach zu urteilen völlig in Ordnung gewesen. Ich aß ein Stück Haferbrot, um etwas gegen das seltsame Gefühl in meinem Magen zu tun, aber als ich aufstand, begann sich alles um mich zu drehen, und ich schaffte es nicht einmal mehr bis zum Nachttopf, bevor ich mich übergeben musste. Die Beine versagten mir den Dienst, und meine Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander. Kalter Schweiß brach mir am ganzen Körper aus, ich bekam sogar Schüttelfrost. Immer wieder krampfte sich mein inzwischen leerer Magen zusammen, und ich erbrach bittere Galle. Tränen strömten über mein Gesicht, das Zittern wurde immer schlimmer. Kurz darauf muss ich wohl das Bewusstsein verloren haben, denn das Nächste, an das ich mich erinnerte, war ein Zustand von Dunkelheit, in dem ich schwerelos dahinglitt, in mir und um mich herum war nichts. Kein Licht, keine Wärme — aber auch kein Schmerz, nicht einmal Furcht. Am Rand meiner einsamen Welt glaubte ich zuweilen Stimmen zu hören, deren Botschaft jedoch nicht bis zu mir vordrang.
    Eine Gestalt schwebte durch meine Gedanken, legte mir ihre weiße kalte Hand auf die Stirn und sah mich mit violetten Augen mitleidig an. Du musst zurückkehren, Mädchen. Ohne dich ist alles verloren. Ihre unheilig leuchtenden Augen und die klare Stimme erinnerten mich an

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