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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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beiläufigen Nicken meine Tasse reichte: »Ihr seid nicht von hier?«
    »Meine Heimat ist das schöne Sussex, doch dem Herrn hat es gefallen, mich in diese Wildnis zu senden, um sein Wort zu verkünden.«
    »Aber gewiss sprecht Ihr Gälisch?«, fragte ich scheinheilig.
    »Natürlich nicht. Das ist die Sprache der Heiden.«
    »Wie wollt Ihr dann wissen, ob die MacCoinnaichs gottesfürchtige Leute sind oder nicht?«

    Der junge Lehrer neben mir begann zu grinsen, bemühte sich aber rasch wieder um einen ernsthaften Gesichtsausdruck, als Anabelle uns einen strengen Blick zuwarf und zu einer Belehrung anhub. »Liebe Joanna, Ihr kommt aus einem anderen Land und könnt das natürlich nicht wissen«, sagte sie. »Aber ich versichere Euch, es ist allgemein bekannt, wie weit verbreitet die heidnischen Riten im Hochland sind. Die Menschen hier sind verstockt, und solange sie ihre seltsame Sprache sprechen, wird sich auch nichts daran ändern. Ihr stimmt mir da gewiss zu, nicht wahr?«, wandte sie sich an den Lehrer.
    »Eigentlich …« Erschrocken suchte er nach den richtigen Worten.
    »Seht Ihr!« Anabelle duldete offensichtlich keinen Widerspruch und nippte zufrieden lächelnd an ihrem Tee. Ihre schmalen Augen glitzerten wie die einer Katze, die fasziniert in ein Goldfischglas starrt und sich dabei bereits ausmalt, wie sie die verängstigten Tiere mit der Pfote herausangeln würde. Ich hätte wetten können, dass sie etwas Böses im Schilde führte. Aber wahrscheinlich ging wieder einmal meine Fantasie mit mir durch.
    »Der Lehrer hat erst kürzlich die Schule von Gleann Grianach übernommen und kennt hier bisher kaum jemanden, ist es nicht so?« Durchdringend sah ich ihn an.
    Ein Das stimmt! war alles, was ich ihm entlocken konnte. Wenn er mit seinen Schülern auch so wenig sprach, dann würden sie vermutlich gar nichts lernen.
    Der Priester räusperte sich. »Nun, das weiß ich. Deshalb kann er ja auch dankbar sein, dass ich noch rechtzeitig wichtige Änderungen in unserer kleinen Schule vorgenommen habe. Als wohlerzogener Sohn eines Peers konnte er nicht
wissen, wie gefährlich es ist, Mädchen das Schreiben beizubringen. «
    »Wie das?«, erkundigte ich mich.
    Anabelle mischte sich ein: »Nun, das liegt doch auf der Hand. Unbedarfte Mädchen kämen womöglich auf die Idee, diese Fähigkeiten zu nutzen, um ihre romantischen Flausen zu verbreiten und damit unerwünschte Aufmerksamkeit junger Herren auf sich zu lenken.«
    Darauf war ich allerdings noch nicht gekommen. »Aber lesen lernen sie doch?«
    »Was für eine Frage! Wenn auch unser guter Priester noch nicht überzeugt ist, so weiß man doch, dass das tägliche Lesen in der Heiligen Schrift bei Mann und Frau gleichermaßen die Gottesfurcht stärkt. Selbstverständlich müssen die Kinder in englischer Sprache unterrichtet werden und nicht in ihrem heidnischen Kauderwelsch.«
    »Amen«, murmelte ich und überlegte, ob sich nicht eine Ausrede fand, um mich bald zurückziehen zu können.

12
Flucht
    W äre ich doch bloß nicht zu dieser vermaledeiten Teestunde gegangen!
    Das Geräusch von Brandubhs Hufen auf dem Kies klang schrecklich laut in meinen Ohren, und sobald es möglich war, lenkte ich das Pferd auf den Grasstreifen am Wegesrand. Wozu man hier überhaupt einen derart breiten, befestigten Fahrweg angelegt hatte, war mir rätselhaft. Soweit ich wusste, gab es keine geeigneten Zufahrten zum Tal, und außer ein paar Karren im Dorf hatte ich bisher auch keine Gefährte in Gleann Grianach gesehen. Alans Haushalt jedenfalls besaß keine Kutsche, und er wäre der Einzige gewesen, der sich diesen Luxus hätte leisten können.
    Ich drehte mich noch einmal nach dem Herrenhaus um, das durch die Bäume kaum mehr zu sehen war. Dann trieb ich Brandubh zur Eile an. Er ließ sich nicht lange bitten und trabte rasch am Torhaus vorbei. Ich hatte Glück – niemand kam aus der niedrigen Tür, um zu schauen, wer da am Sonntagnachmittag unterwegs war. Vorsichtshalber schlug ich dennoch zuerst den Weg ins Dorf ein, bevor ich dann nach Westen abbog und den Pfaden folgte, von denen ich hoffte, sie würden mich früher oder später zu dem schmalen Tal führen, das Gleann Grianach von der Außenwelt trennte.
    Viel hatte ich auf meine überstürzte Flucht nicht mitgenommen.
Ein paar Bannocks und kaltes Fleisch vom Abendessen hingen, eingeknotet in ein Leinentuch, am Sattel, und das große Plaid lag zusammengerollt hinter mir. Es würde mir gute Dienste als Nachtlager leisten. Mein eigenes

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