Wind Der Zeiten
schüttelte nur den Kopf, stand auf und schlenderte über die Festwiese. Dabei blieb er immer wieder stehen, sprach mit Männern, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, und sah sich auch im Barockgarten und zwischen den niedrigen Sträuchern unauffällig um. »Was ist los?«, frage ich schließlich leise.
»Die Mackenzies sind noch nicht da.«
»Waren sie denn eingeladen?«
»Die haben sich noch nie ein Fest entgehen lassen. Aber ja, sie waren eingeladen. Irgendetwas stimmt nicht.«
»Heute ist Mittsommernacht. Sie werden ihr eigenes Fest feiern und liegen wahrscheinlich längst stockbesoffen irgendwo am Strand herum.«
»Du verstehst das nicht.« Alans Blick wanderte unaufhörlich über die Feiernden, und seine Handflächen lagen leicht geöffnet auf den Knien, als suche er mit jeder Faser seines Körpers störende Schwingungen.
Gerade wollte ich ihm eine schnippische Antwort geben,
denn es machte mich wütend, wenn er es – wie jetzt auch wieder – nicht für notwendig hielt, sich zu erklären, und mich mit diesem Spruch abspeiste. Doch dann sah ich vom Herrenhaus eine aufrechte Gestalt zu uns herüberkommen und hatte Mühe, in dem Highlander, der da mit schwingendem Kilt über die Wiese marschierte, den eleganten Herzog wiederzuerkennen.
»Ach Mädchen, willst du wohl einem hungrigen alten Mann einen Imbiss anbieten?«
Ich hätte mich beinahe an meinem Wein verschluckt, und Alan blinzelte mutwillig. Zweifellos erwartete er, dass ich aufbrausen würde, doch stattdessen erhob ich mich lächelnd, machte einen Knicks vor dem Herzog und schritt davon.
»Ob sie mit einem Becher Gift oder einem Dolch für mich zurückkehrt, was meint Ihr, MacCoinnaich?«, hörte ich den Herzog hinter meinem Rücken lachend fragen und musste schmunzeln.
Auf meinem Weg zum Ochsen, der bereits erheblich geschrumpft war, begegnete mir glücklicherweise Dolina, und ich bat sie um Unterstützung. Rasch hatten wir eine Platte mit Gebratenem, Haggis und frischem Brot beladen. Dolina flüsterte einem ihrer Mädchen etwas zu, und flink trugen sie dampfende Schüsseln herbei. »Wusstest du, dass er mit uns feiern wollte?«, fragte ich verwirrt.
»Aber sicher! Warum sonst hätte er sich persönlich hierher begeben?«
»Er hat doch gar nichts von der Hochzeit wissen können.«
»Das stimmt, aber jeder hier im Hochland weiß, dass er sich niemals freiwillig eine Mittsommernachtsfeier entgehen ließe. Dafür würde er sogar den König selbst in London sitzenlassen. Jetzt nimmt er halt beides mit.«
»Dann wollen wir ihm mal etwas Ordentliches bieten«, lachte ich, und gemeinsam trugen wir silberne Platten und einen großen Humpen Ale zurück zum Tisch des Herzogs. Hinter uns schleppten die Mädchen schwere Tabletts mit gut gefüllten Schüsseln und Näpfen herbei. Ich servierte ihm eigenhändig, und Alan sah wohlwollend zu.
Bildete er sich etwa ein, ich würde in Zukunft seine Gäste immer bedienen? Als ich an ihm vorbei wieder meinen Platz ansteuerte, griff der ungehobelte Kerl nach mir, zog mich zu sich herab und flüsterte: »Ich liebe dich.«
Ich schaute in sein Gesicht und spürte dieses Schwindelgefühl, das mich neuerdings immer dann befiel, wenn die Liebe mein Herz so sehr erfüllte, dass es mir den Atem abdrückte. Unsere Blicke schienen ineinander zu ertrinken, und nur widerwillig gab er mich schließlich frei. Einen Moment lang dachte ich, ich könnte nicht allein stehen und sank dankbar auf den nächstbesten frei gewordenen Schemel. Um meine Verlegenheit zu überspielen, räusperte ich mich.
Der Herzog blickte auf. »Nun, Mädchen, was gibt es? Du siehst aus wie eine neugierige kleine Katze.«
»Euer Gnaden, womöglich steht mir diese Frage nicht zu …«
Er wedelte ungeduldig mit der Hand. Ich war überrascht, dass ich mich so beklommen fühlte, aber dann fasste ich mir ein Herz. »Ihr scheint Euch hier im Hochland wohlzufühlen und seid ein echter Schotte. Warum um Himmels willen macht ihr gemeinsame Sache mit den Engländern gegen Schottland?«
Eine leichte Röte stieg seinen Hals hinauf, und Alan schüttelte warnend den Kopf. Doch ich ließ mich nun nicht mehr beirren und sah Argyle aufmerksam an.
»Das hat man nun von dieser neuen Mode, den Weibern
das Wort zu geben«, sagte er schließlich. »Also gut, ich will es dir erklären: Die Engländer haben die Macht, sie besitzen fruchtbares Land und genügend Schiffe, mit denen sie Handel in der ganzen Welt treiben können. Schottland besitzt nichts davon, und der
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