Wind Der Zeiten
herrschenden Klasse besser für sich behielt. »Ich kann einfach bei solchen Ungerechtigkeiten nie meinen Mund halten. Das hat mir schon häufiger Ärger eingebracht«, gab ich unwillig zu.
Sie schaute mich mit großen Augen an. »Du durftest daheim so frei sprechen?«
»Was für eine Frage. Selbstverständlich!« Doch dann wurde mir klar, wie ungeheuerlich sich meine Worte für diese behütet aufgewachsene Frau anhören mussten, und ich fügte mit einem schiefen Grinsen hinzu: »Was denkst du, warum ich fortgelaufen bin? Dort konnten sie sich auch nicht mit meiner Art anfreunden.«
»Das glaube ich dir gern. Aber ich … ich finde dich großartig! « Mary errötete. »Du wirkst so frei, so selbstbewusst, und du weißt unglaublich viele Dinge. Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum der Gleanngrianach nur dich lieben kann. Mit mir wäre er niemals glücklich geworden.«
»Du und Lachlan, ihr seid füreinander geschaffen. Er liebt dich wirklich.«
»Meinst du?«
»Ach, du Gänschen. Schau ihn dir doch nur an, er kann ja selbst jetzt kaum den Blick von dir lassen.«
Sie sah zum Haus hinüber, wo Lachlan lässig in der Sonne an den dicken Quadern der Turmmauern lehnte und uns genau beobachtete. Als er bemerkte, dass wie ihn anschauten, macht er eine übertriebene Verbeugung und warf Mary eine Kusshand zu.
Sie kicherte und wollte etwas sagen, doch in diesem Augenblick entstand Unruhe unter den Männern, und ich konnte buchstäblich spüren, wie Alan uns zurückbeorderte. »Irgendetwas ist passiert«, flüsterte ich ihr zu. »Lass uns zurückgehen. «
Von weitem sahen wir, wie ein Bote immer wieder nach Westen zeigte und dabei aufgeregt auf Alan einsprach. Beide Männer standen etwas abseits der Tafel, an sich Argyle scheinbar entspannt einem weiteren Stück vom Ochsenbraten widmete. Doch ich konnte die Kilts seiner Leibgarde deutlich
erkennen, und es war klar, dass sie sich an strategisch günstigen Plätzen postiert hatten, um den Herzog jederzeit in Sicherheit bringen zu können oder, falls nötig, auch mit ihrem Leben zu verteidigen.
Alan hatte einige seiner Krieger um sich versammelt, die nach wenigen Augenblicken, angeführt von dem immer noch atemlosen Boten, talabwärts verschwanden. Ich eilte zu ihm. »Was ist passiert?«
»Die Mackenzies kommen, und sie haben einen Gefangenen dabei.«
Erleichtert ließ ich mich auf meine Bank fallen. Das klang ja nicht allzu bedrohlich.
Und dann kamen sie.
» Gleanngrianach , ich bringe euch ein Geschenk«, rief ein Mann, den ich beim Näherkommen als Robert Mackenzie aus Cladaich wiedererkannte.
Hinter ihm tauchte eine halbe Armee Hochländer auf, die allerdings von ihren Frauen begleitet wurden. Offenbar handelte es sich um die bereits vermissten Hochzeitsgäste aus Cladaich – auch wenn man das auf den ersten Blick wahrlich nicht erkennen konnte, denn die Männer waren bis an die Zähne bewaffnet.
Argyle murmelte: »Von wegen die Mackenzies haben all ihre Waffen abgegeben ! Die sehen aus, als wollten sie in einen verdammten Krieg ziehen.«
Ich mochte ihm nicht widersprechen.
Robert Mackenzie fuchtelte mit seinem Dolch und brüllte: »Wir haben diesen Kerl am Sròn Àrd geschnappt. Er behauptet, er sei ein Freund des Gleanngrianach .«
Das war es also mit dem Frieden. Robert Mackenzie trieb niemand anderen als Ewan Iverson vor sich her. Ich wusste,
Sròn Àrd hieß ein Felsplateau oberhalb des Nebeltals, von dem aus man Gleann Grianach, aber bei gutem Wetter auch Cladaich bis zur Küste hinab überblicken konnte. Der Posten war ständig sowohl von Alans als auch von Roberts Leuten besetzt. Was hatte Ewan dort oben zu suchen gehabt?
Ängstlich schaute ich zu Alan. War sein Misstrauen dem ehemaligen Freund gegenüber berechtigt? Fast sah es so aus. Doch er zeigte lediglich sein, wie ich es für mich nannte, Chieftain-Gesicht und ging den Neuankömmlingen entgegen. »Willkommen zum Mittsommerfest in Gleann Grianach!«
Angus stand an seiner Seite und wiederholte die Einladung, an den Hochzeitsfeierlichkeiten seiner Tochter teilzunehmen. Alan schüttelte erst Robert und dann Ewan die Hand, als habe dieser nicht einen spitzen Dolch an seiner Kehle.
»Du kennst den Kerl?« Robert spuckte auf den Boden.
»Er war mein Pflegebruder.«
Daraufhin ließ der Cladaich zögerlich seine Waffe sinken. »Wenn du dafür bürgst, dass er nichts mit den Rotröcken zu tun hat, die sich bei John MacDonnell eingenistet haben.«
Ewan befreite sich aus der Umklammerung
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