Wind Der Zeiten
Kuchen aufgegessen und gingen nun zum Bach, um unsere Hände von den Spuren der Süßigkeiten zu befreien.
Plötzlich entstand erneut Unruhe unter den Feiernden. Es sei Rauch im Tal zu sehen, hieß es, und jemand brüllte: »Feuer! Im Dorf ist ein Feuer ausgebrochen!«
Erste Gäste liefen aufgeregt durcheinander, und einen Moment lang sah es aus, als wäre das totale Chaos ausgebrochen.
Alan sprang auf einen Tisch, breitete die Arme aus und donnerte: »Ruhe!«
Die Menschen erstarrten, einer nach dem anderen begann sich umzudrehen, einige mit gerunzelter Stirn, als wären sie darüber verärgert, dass jemand es wagte, sie in ihrem Tun zu unterbrechen. Man hörte eine Frau schreien und Kinder weinen, doch dann wurde es ganz still.
Lachlan landete mit einem lässigen Sprung neben seinen Bruder und gab völlig unaufgeregt knappe Befehle: »Balgy, du gehst mit den MacRaths und deinen Leuten hinunter und nimmst auch die Männern aus Gleann Grianach mit. Hört ihr, ihr steht unter Balgys Kommando. Seht euch vor, das könnte eine Falle sein.«
Als sich einige Frauen ebenfalls in Richtung Tal wandten, befahl er: »Die Frauen bleiben hier.«
Murrend fügten sich die meisten, einige jedoch mussten mit Gewalt daran gehindert werden, ihren Männern zu folgen. Bald darauf galoppierten Reiter an uns vorbei und verschwanden zwischen den Bäumen, über deren Wipfeln man eine Rauchsäule aufsteigen sah. Ich beobachtete, wie die Campbells auf ihren Herzog einredeten, damit er ihnen ins sichere Haus folgte.
»Was glaubt ihr? Ich verstecke mich doch nicht wie ein altes Weib!«, fluchte der, als Alan ihm die Hand auf seine Schulter legte und eindringlich sagte: »Ich weiß Eure Hilfsbereitschaft zu schätzen, Your Grace , aber stellt Euch vor, welch ein Verlust es für Euren König wäre, stieße Euch etwas zu.«
»Ganz zu schweigen von den Problemen, die Ihr bekämt«, entgegnete der Herzog, lachte laut, ließ sich aber wenigstens von seiner Eskorte die Treppe hinauf begleiten. Der Anführer warf Alan einen dankbaren Blick über die Schulter zu, bevor sie durch die hohe Tür verschwanden, die nun von drei kräftigen Campbells bewacht wurde.
»Joanna, Mary, ins Haus!«
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich immer noch wie angewurzelt neben der zitternden Mary zwischen leeren Bänken und verwaisten Tellern und Bechern stand.
Als ich zu ihm sah, entfaltete sich ein Alptraum. Rechts und links des Castles tauchten Soldaten in roten Uniformen auf. Die Engländer. Ihre Vorhut kniete nieder und legte Gewehre auf uns an. Weitere Sasannach stürmten die Hänge hinab, direkt in die gezückten Schwerter der MacCoinnaichs.
Wir mussten hier fort, aber der Weg zum Haus, in dem sich
die anderen Frauen längst in Sicherheit gebracht hatten, war uns abgeschnitten. Die MacCoinnaichs und mit ihnen Cladaichs Leute und alle anderen Hochzeitsgäste verteidigten mit aller Kraft das Haus ihrer Gastgeber und waren im Nu in verbissene Einzelkämpfe mit den Angreifern verstrickt. Meine Beine fühlten sich an, als seien sie aus Gummi, und alles schien in Zeitlupe abzulaufen, als ich Mary an der Hand packte und sie hinter mir herzog. Ich wollte versuchen, den Wald zu erreichen. Darin gab es einige Felsvorsprünge und sogar eine kleine Höhle, in der wir uns vor den Soldaten verbergen konnten. Doch die Rotröcke kamen nun auch aus dieser Richtung, und – ich traute meinen Augen kaum – ihnen voran stürmte William Mackenzie, der Mörder des jungen Alexander aus Cladaich!
Blitzschnell änderte ich die Richtung, und wir rannten zum Barockgarten. Auch wenn ich wenig Hoffnung hatte, dass wir uns dort lange verstecken konnten, war das der einzige Weg, der noch frei blieb. Mary lief furchtbar langsam. Wahrscheinlich war das Mädchen noch nie in ihrem Leben gerannt.
Sie schluchzte: »Ich kann nicht mehr«, und wollte stehen bleiben.
»Bist du von Sinnen? Sollen die Sasannach dich kriegen?« Panisch gab ich ihr einen Stoß, und sie stolperte vor mir her durch das Tor in die elegante Anlage. »Los, der Irrgarten!«, keuchte ich und tastete dabei nach meinem Messer. Wenn uns einer der Kerle erwischte, würde er feststellen, dass wir nicht ganz so wehrlos waren, wie es den Anschein hatte.
Als wir endlich zwischen den Hecken Zuflucht gefunden hatten, übernahm Mary die Führung. »Ich kenne hier alle Wege«, keuchte sie und humpelte eilig vor mir her. Die Arme hatte unterwegs einen ihrer Pantoffeln verloren. Nach unzähligen
Abzweigungen und Kreuzwegen ließen wir
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