Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
Vom Netzwerk:
ist nicht deine Schuld.« Sie legte eine Hand auf meinen Arm. »Aber du bist so anders. Viel freier und trotzdem nicht wie eine – na ja, du weißt schon, ein loses Frauenzimmer.«

    »Bin ich froh, das zu hören.« Doch Mòrag hatte meinen Sarkasmus nicht verdient. Auch wenn ich mir große Mühe gab, mich an die hiesigen Sitten anzupassen, die Erziehung einer Frau des einundzwanzigsten Jahrhunderts konnte ich nicht verleugnen, ohne mir selbst dabei untreu zu werden. Meine Art musste den MacCoinnaichs merkwürdig erscheinen, noch dazu war mein Auftauchen geheimnisumwittert, und für meine Herkunft bürgte lediglich Alans Wort. Das Wort eines Mannes, dem sie selbst nicht rückhaltlos vertrauten.
    »Liebst du ihn, bist du deshalb hierhergekommen?«, riss sie mich aus meinen Gedanken.
    Ich ließ mich auf das Bett sinken und klopfte auf die Matratze, damit sich Mòrag zu mir setzte. Mit dem, was ich jetzt tun wollte, ging ich ein hohes Risiko ein, aber dennoch war ich entschlossen, mich ihr anzuvertrauen.
    Gestern Abend hatte ich ausreichend Gelegenheit gehabt, meine neuen Freunde und die Bewohner des Tals zu beobachten. Sie unterschieden sich nicht nur äußerlich von den Zeitgenossen meiner Welt. Natürlich, es gab viele Dinge, die allen Menschen gemein waren: Liebe, Eifersucht, Humor und Sehnsucht – das alles war in ihren Gesichtern zu lesen gewesen, aber auch noch etwas anderes. Ihre tiefe Verbundenheit mit der Landschaft und dem Clan war mehr von den Elementen und dem täglichen Überlebenskampf diktiert als vom Wunsch, die Welt um sie herum zu erhalten, so wie sie war. Mutter Natur zeigte sich nicht mild und großzügig, ihr musste man jedes Korn, jeden Brocken Torf und jeden Fisch abtrotzen. Und wenn es ihr gefiel, dann verwüstete sie Ernten in einer Nacht, zog den Fischer samt Boot in die Tiefe der See oder raffte geliebte Menschen durch geheimnisvolle Krankheiten dahin. Niemand konnte sagen, wann das Schicksal zuschlagen
würde, und als ich den Geschichten lauschte, die man sich gestern erzählt hatte, war mir bewusst geworden, wie sehr sie nach Erklärungen für die Katastrophen in ihrem Leben suchten und wo sie diese fanden. Nicht in der Religion, wie man vermuten könnte. Sie hatten ihre alten, oft grausamen Götter eingetauscht gegen einen Gott der Liebe und des Verzeihens. Und was war geschehen? Nichts. Er schützte sie ebenso wenig vor dem Unglück, wie es seine Vorgänger getan hatten, und die logische Schlussfolgerung daraus war, dass es noch andere, weitaus diesseitigere Mächte gab, mit denen sie es im täglichen Überlebenskampf zu tun hatten. Wesen, die sich in ihre Häuser schlichen, die Milch sauer werden ließen oder gar ein gesundes Kind aus seiner Krippe stahlen, um ein krankes zurückzulassen. Wesen, von denen man wusste, dass sie in den Hügeln wohnten und dort wilde Feste feierten, schließlich gab es genügend Augenzeugenberichte. Wesen, die einem aber auch halfen, einen in den Fluss gefallenen Menschen an Land trugen und die Ernte gedeihen ließ, wenn man sie achtete und respektvoll behandelte. Keiner der MacCoinnaichs zweifelte ernsthaft daran, dass Kobolde, Feen und Geister existierten, und nicht wenige fürchteten sich mehr vor ihnen als vor der ewigen Hölle, die der Priester jedem versprach, der nicht treu auf seines Gottes Pfad wandelte. Und hierin sah ich meine Chance.
    In der von Wissenschaft und Forschung geprägten Welt, aus der ich kam, würde mich jeder, dem ich von meiner Zeitreise berichtete, für verrückt erklären. Doch wer täglich mit der Magie des Daseins konfrontiert war wie meine neuen Gefährten, der war vielleicht bereit, mir zuzuhören. Nicht dass ich die Sache an die große Glocke hängen wollte, aber wenn Mòrag mir glaubte, dann hatte ich eine Verbündete, jemanden,
der mir helfen würde, mich in dieser neuen Welt zurechtzufinden. Und obendrein bekam ich eine Freundin, mit der ich meine Geheimnisse teilen konnte. Allein diese Aussicht war mir fast jedes Risiko wert.
    Natürlich, es gab auch Alan, aber er hatte bisher nicht den Eindruck gemacht, dass er mir glaubte, und eine kleine Stimme in meinem Kopf flüsterte: Die Männer, mit denen du im Bett warst, haben dich bisher immer enttäuscht. Das stimmte. Trotz meiner negativen Erfahrungen war ich zwar weit davon entfernt, alle Männer in eine Schublade zu stecken, und glaubte insgeheim immer noch daran, eines Tages Mr. Right zu begegnen. Dennoch tat ich gut daran, mir weitere Verbündete zu sichern.
    Mòrag

Weitere Kostenlose Bücher