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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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benutzt worden, aber nachdem ich eine Kerze geholt und kräftiger gegen das Holz gedrückt hatte, öffnete es sich weit genug, um mir einen Blick hinein zu erlauben. Mit hochgehaltener Kerze und auf Zehenspitzen sah ich in dem sorgfältig ausgekleideten Geheimfach Bücher liegen. Ein wenig enttäuscht war ich im ersten Augenblick schon, denn meine Fantasie hatte mir vorgegaukelt, dass hier antike Schriftrollen oder kostbarer Schmuck versteckt sein mussten. Aber Bücher wären genaugenommen mindestens ebenso aufregend.
    Ich war zu ungeduldig, um mir den Stuhl heranzuziehen, damit ich genauer nachsehen konnte, was mich erwartete. Also griff ich blind hinein. Zarte Spinnweben umschlossen meine tastende Hand. Vor Schreck schrie ich auf, hielt mir blitzschnell den Mund zu und kam mir ziemlich blöd vor. Als dabei die Kerze, die ich in der anderen Hand hielt, meinem Haar so nahe kam, dass mir ein verdächtiger Geruch in die Nase stieg, blies ich die Flamme hastig aus und lauschte. Hoffentlich hatte mich niemand gehört.
    Dieses Quieken war so würdelos. Ich sollte es mir schleunigst wieder abgewöhnen. Ob das Tragen von voluminösen
Röcken über eng geschnürten Taillen eine Frau in wenigen Tagen zu einem Angsthasen werden ließ? Aber dann kamen mir die bodenständigen, zupackenden Frauen in den Sinn, die ich bei ihrer Arbeit in der Küche beobachtet hatte. An der Art, wie sie dem Federvieh die Köpfe abschlugen, bevor es in kochendem Wasser gebrüht wurde, oder wie die Fische durch einen gezielten Messerstich der schnelle Tod ereilte – daran war überhaupt nichts Zimperliches. Das Lieschen war eindeutig ich.
    Also holte ich tief Luft und griff beherzt erneut in das Fach. Dieses Mal war da etwas Hartes. Meine Hand tastete die Gegenstände ab. Sie fühlten sich rau an wie altes Leder.
    Wenig später hielt ich im Schein des flackernden Kaminfeuers mehrerer Bücher in den Händen, die ich, obwohl es dafür keinen Beweis gab, für Tagebücher hielt. Die Kerzen des großen Leuchters waren schnell entzündet, und ich nahm mir das oberste Buch.
    Es war mit einem Bändchen verschnürt, das sich nicht so leicht lösen ließ, wie ich anfangs gedacht hatte. Zwei abgebrochene Fingernägel später war ich so weit, mir Adlerklauen zu wünschen, um die verflixte Schnur endlich loszuwerden, oder Zähne, scharf genug, um sie durchzunagen.
    »Warte, ich krieg dich doch.« Mit dieser Drohung griff ich nach dem kleinen Messer, das seit der letzten Mahlzeit vergessen auf dem Tisch gelegen hatte, stieß dabei unglücklich an den Bücherstapel und musste alles fahren lassen, um mit einem Hechtsprung zwei der Bände vor dem Flammentod zu bewahren.
    Draußen heulte der Wind ums Haus, und ein kühler Luftzug blähte die Bettvorhänge. Dielen knarrten.
    »Hallo? Alan, bist du das?«

    Die Atmosphäre wurde beklemmender, als ich es selbst in einem so alten Haus wie diesem für möglich gehalten hätte. Alan antwortete nicht.
    »Auch auf die Gefahr hin, mich lächerlich zu machen …« Ich drehte mich einmal um mich selbst. »Sollte sich hier jemand verstecken, der nicht will, dass ich diese Bücher lese, dann …« Ich holte tief Luft. »Dann kannst du mich mal.«
    Ein Torfstück fiel aus dem Kamin, und die Kerzen flackerten wütend. Diese Strategie führte offenbar nicht zum Ziel.
    » A charaid, bi sàmhach. Mein Freund, sei still«, versuchte ich es deshalb versöhnlicher. »Ich möchte doch niemandem schaden. Aber vielleicht können mir diese Aufzeichnungen dabei helfen zu verstehen, warum ich überhaupt hier bin.« Gewiss hatte ihr ursprünglicher Besitzer die Bücher nicht ohne Grund in einem geheimen Fach versteckt.
    Mir schien es, als hielte der Raum die Luft an. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Bevor wieder etwas passierte, griff ich erneut nach dem Buch. Die Verschnürung ließ sich nun sogar gewaltlos lösen. Behutsam legte ich das unbenutzte Messer beiseite und schlug die erste Seite auf.
    Anstelle gedruckter Buchstaben fand ich eine gleichmäßig geschwungene Handschrift. Ein schneller Blick in die anderen Bücher, die sich mir nun nicht mehr verweigerten, bestätigte mir, dass ich die Tagebücher einer gewissen Keriann O’Leary, der ehemaligen Bewohnerin dieses Zimmers, entdeckt hatte. Meine Ahnung hatte mich nicht getäuscht. Vor Aufregung zitterten mir die Hände, als ich mich mit dem ersten Buch in den Sessel setzte und zu lesen begann.
     
    Die Aufzeichnungen begannen im September 1697 in Holland. Keriann O’Learys Ehemann,

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