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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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kontinentalem Vorbild bauen. Der Clan MacCoinnaich hatte großes Glück, dass ihr Chieftain sowohl über beachtliches Eigenkapital verfügte als auch Kredit bei seinen holländischen Handelspartnern genoss.
     
    Die Augen waren mir inzwischen müde geworden. Kerianns gleichmäßige Handschrift füllte die Seiten zwar fein säuberlich, doch ihre Rechtschreibung grenzte gelegentlich an Lautmalerei.
    Sie beschrieb das Leben in den Highlands jedoch so lebhaft, dass ich die Aufzeichnungen ungern beiseitelegte, und zusammen mit meinen eigenen Beobachtungen entstand allmählich ein beeindruckendes Bild von den Lebensbedingungen der Menschen innerhalb eines Clansystems.
     
    Draußen lagen die Wolken immer noch dicht über dem Tal, und die Nacht schien früher hereinzubrechen als sonst. Dabei müsste in wenigen Wochen schon Sommersonnenwende sein. Gleann Grianach lag weit genug im Norden, um zu dieser Jahreszeit die Sonne nur für ein paar Stunden hinter dem Horizont verschwinden zu lassen. Selbst um Mitternacht wurde der Himmel nicht mehr schwarz, und an klaren Tagen funkelten die Sterne an einem unglaublich dunkelblauen Firmament, das mich immer an einen kostbaren, mit Diamanten bestickten Samtstoff erinnerte. Davon war heute so wenig zu sehen wie von Alan. Mòrag brachte das Abendessen und blieb noch eine Weile zur Gesellschaft. Mit mir zu essen, lehnte sie zwar ab, den Becher Wein schlug sie jedoch nicht aus. Ich selbst blieb heute lieber bei Wasser. Wir redeten über das
gestrige Cèilidh und waren uns einig über die wunderbare Stimme der Sängerin Mary.
    Ihren ausgezeichneten Ruf in den Highlands besaß sie nicht ohne Grund. Mary wollte eine Weile in der Gegend bleiben, erzählte Mòrag, und ich freute mich schon darauf, ihrem Gesang bald wieder lauschen zu können. Nach einer Weile hatte ich den Eindruck, meine Freundin war nicht ganz bei der Sache.
    »Was ist mit dir los?«, fragte ich, als mir ihr Gezappel zu viel wurde.
    »Ich habe eine Überraschung für dich, sieh her.« Sie sprang auf und holte einen eisernen Topf herein, den sie zum Feuer schleppte. Behutsam tastete sie dann mit ausgestreckter Hand die Innenseite des Kamins ab und gab schließlich einen zufriedenen Laut von sich. »Fass mal mit an, wir hängen den Topf hier rein, dann kannst du in Zukunft das Wasser zum Waschen erwärmen.« Wir hängten den Kessel an einen Haken und füllten ihn aus den Eimern, die ebenfalls im Flur bereitstanden. Anschließend kehrte sie die Asche zusammen, schürte das Feuer und legte ein paar Torfsoden hinein. Dabei schaute ich ihr genau zu, um solche Arbeiten in Zukunft auch selbst verrichten zu können. Danach steckten wir neue Kerzen auf. Das übrig gebliebene Wachs kratzte sie sorgfältig von den Leuchtern und schüttelte es in ein Tuch.
    »Wofür ist das?«, wollte ich wissen.
    »Wir schmelzen die Reste und gießen sie zu neuen Kerzen für die große Halle und später für die Kammern der Mädchen unter dem Dach. Macht ihr das bei euch zu Hause nicht so?«
    Ich überlegte, ob ich ihr von der Erfindung des elektrischen Lichts erzählen sollte, ließ es dann aber doch. Ich durfte der Geschichte nicht vorgreifen. »O doch«, schwindelte ich. »Das
wäre ja sonst eine furchtbare Verschwendung. Ich habe mich nur gewundert, warum du das Wachs in ein Tuch einwickelst.«
    »Manchmal stellst du aber auch Fragen. Wie soll ich es denn sonst transportieren?«
    Richtig. Wie auch?
    Beim Aufschütteln meiner Kissen bemerkte sie beiläufig: »Der Gleanngrianach ist übrigens mit ein paar Männern nach Balgy geritten. Dort soll ein Wolf gesehen worden sein.«
    Wölfe? Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass es in Schottland Wölfe gab.
    »Duncan sagt, es ist eher ein wilder Hund, der die Schafe stiehlt, oder noch wahrscheinlicher ein Mackenzie aus Cladaich. «
    »Eure diebischen Nachbarn?« Ein Grinsen konnte ich mir nur mit Mühe verkneifen.
    »Das kann man wohl sagen. Sie leben an der Küste, und es gibt seit Jahren eine Abmachung mit ihnen: Sie behalten das Meer und den Eingang zu unserem Tal im Auge und erhalten dafür einen Anteil an den Waren, die der Gleanngrianach von seinen Schiffen durch ihr Gebiet transportiert. Und ihre Rinder kaufen wir auch zu guten Preisen, obwohl die armen Viecher so mager sind, dass wir sie erst einmal aufpäppeln müssen, bevor sie eine brauchbaren Preis auf dem Markt erzielen.«
    »Das klingt mir doch nach einem anständigen Geschäft.«
    »Früher war es das vielleicht, aber seit ihr alter Chieftain tot

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