Wind Der Zeiten
stark. Fast, als sei er den ganzen Weg von seinem Stammsitz an der Küste bis hierher im Eiltempo gelaufen. Vermutlich war er das sogar, denn die meisten Highlander besaßen keine Reitpferde.
»Dein feiner Bruder und seine Bande von Viehdieben haben Alexander Mackenzie ermordet.«
Während ein Raunen durch die Menge ging, flüsterte Duncan mir zu, dass Alexander ein Pächter in Cladaich war.
Lachlan wollte aufspringen.
Mit einer einzigen Geste wies Alan ihn an, sich nicht zu rühren.
Ich weiß nicht, wie er das bewerkstelligte, aber Angus veranlasste die Ghillies, dem wütenden Mackenzie und seinen Kriegern bis zum Rand mit Whisky gefüllte Quaichs in ihre Hände zu drücken. Diese Gefäße waren so flach, dass man sie mit beiden Händen an den seitlichen Henkeln fassen musste, um nichts zu verschütten. Gar keine schlechte Idee, wenn man schwer bewaffnete Besucher für den Moment ruhig stellen wollte.
Alan hob seine Schale in die Höhe: » Slàinte mhòr! Prost!« Cladaich blieb nichts anderes übrig, als seinem Beispiel zu folgen. Die Krieger taten es ihnen nach. »Was ist geschehen?«, fragte Alan und reichte Angus seine Schale. Den Gästen wurde nachgefüllt.
»Alexander war mit ein paar Männern in den Wälder von Fearna zur Jagd. Als sie gerade auf der Pirsch nach einem kapitalen Hirsch waren, tauchte plötzlich diese Bande MacCoinnaichs auf und griff meine Leute ohne erkennbaren Grund an.«
Murren wurde hier und da hörbar, und unsere Männer rückten näher. Sie mochten untereinander zerstritten sein,
aber hier hielten sie zusammen. Schließlich ging es um ihre Ehre. Niemand überfiel seine Nachbarn grundlos.
Hastig nahm der Mackenzie-Chieftain einen kräftigen Schluck und fuhr fort: »Die MacCoinnaichs waren in der Überzahl, sonst wäre es ihnen sicher nicht gelungen, Alexander zu überwältigen. Er war zwar noch jung, aber er wusste so gut mit dem Schwert umzugehen wie jeder andere auch. Genau wie sein Vater, der in Sheriffmuir Dutzende Rotröcke bezwungen hat, bevor er seinen Arm in der Schlacht verlor.« Ein weiterer Schluck.
Der Ghillie neben ihm schenkte sofort nach.
Alexander, so berichtete Cladaich dann mit bester Erzählstimme, sei erst nach zwei Tagen Suche von seinem Bruder Niall in einem abgelegenen Glen gefunden worden. Er habe regungslos unter seinem toten Pony gelegen.
Das Tier musste in Panik geraten sein und war von einem schmalen Felsgrat in die Tiefe gestürzt. Dabei hatte es den armen Mackenzie unter sich begraben.
Alan machte auf mich nicht den Eindruck, als beeindruckte ihn das Schicksal des jungen Mannes. Mir war das völlig unverständlich, und ich fragte mich, wie er auf einen derart fürchterlichen Unfall so kühl reagieren konnte. Sicherlich war mehr als nur ein wenig Mitgefühl für die armen Hinterbliebenen angebracht, daran bestand für mich überhaupt kein Zweifel. Schließlich hatte er nichts weiter getan, als seine Rinder vor den diebischen Nachbarn zu schützen.
»Als wir ihn fanden, hat er noch geatmet.« »Das ist in der Tat eine schreckliche Geschichte. Aber wie kommst du darauf, dass MacCoinnaichs die Schuld an seinem Unfall tragen?«
»Das nennst du einen Unfall?«, brüllte der Mackenzie-Chief,
und sein Gesicht nahm die Farbe von reifen Pflaumen an. Wenn er jetzt auch noch einen Infarkt bekam, dann hätte Alan nichts zu lachen. »Es war Mord. Und der da«, er wies mit ausgestrecktem Arm auf Lachlan, »ist schuld.«
Alans Worte klangen wie das brechende Eis in einem zugefrorenen Wintersee, als er fragte: »Du behauptest also, dass wir mit Mördern gemeinsame Sache machen.« Er stand auf. »Kannst du das beweisen?«
»Der Junge war rücklings auf sein Pferd gebunden, als wir ihn fanden.«
Die Lippen fest zusammengekniffen, warf Alan einen raschen Blick zu Lachlan, dem das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand – so wie allen anderen hier im Raum, seien es Mackenzies oder MacCoinnaichs. Der Gedanke an die Ängste, die der junge Mann ausgestanden haben musste, während er zwei Tage lang allein und verletzt unter dem verunglückten Pony lag, erschütterte auch den härtesten Krieger. Lachlan war nicht zimperlich, das hatte ich am eigenen Leib erfahren, aber einen so grausamen Scherz traute ich ihm nicht zu.
Und Gott sei Dank schien Alan das Gleiche zu denken: »Der Überfall fand also vor drei Tagen statt, sagst du? Mein Bruder hat das Castle seit über einer Woche nicht verlassen – und wenn, dann nur in Begleitung von Damen.« Er machte eine vage
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