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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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seinem Mundstück mit nadelfeinen Diamantzähnen besetzt schien (eine Waffe? ein Sinnesorgan?), und zeichnete damit in der Luft Eddies Gesicht nach. Ein feiner Luftstrom, den der Rüssel einsaugte, streifte Eddies Gesicht. Keine der Strahlungen wagte es, die Regentonne zu treten. Als die Überprüfung beendet war, bahnte sich das Tier einen Weg durch die Gruppe hindurch und überfuhr knirschend und klackend den Betrunkenen, der ihnen gefolgt war. In ihrem Rücken sagte etwas: »Das finde ich aber gar nicht nett« und torkelte ihnen klappernd hinterher. Cozmic mußte in den letzten fünf Jahren einen sehr eigenartigen Humor entwickelt haben. Grüne Eisentür. Aufgemacht. Bett. Gespreizte Beine. Dunkle Wolle. Fettes Geschlecht. Weiter oben Tinas Stimme: »Papa, kommst du? Fickst du mich? Bitte! Papa, fick mich! Mach mich kaputt!« Eddie prallte zurück, als habe man ihn mit einem Hammer geschlagen. Eine Strahlung stand bei dem Bett, Eddie bemerkte das jetzt erst. Eine Frau mit kurzen schwarzen Haaren. Auf einem Beistelltisch im Hintergrund lag medizinisches Gerät herum. Trotz seines Ekels kam er näher und suchte nach einer Decke, mit der er Tinas Blöße vor der diamantbezahnten Welt verbergen konnte, den braunen Pferdelumpen, den er verquollen, klamm, faltig unter ihr hervorzog, um ihn über ihr auszubreiten, schob sie sofort mit den Händen wieder weg, nur um in der Stimme eines neunjährigen Mädchens wieder zu singen: »Fickst du mich, Papa? Komm und fick mich!« Und das klang wie dressiert, wie der Soundchip einer Fleischpuppe, die nicht weiß, wovon sie redet.
    »Sie merkt nicht, daß wir hier sind«, sagte die Strahlung, es sollte wohl beruhigend klingen.
    »Warum bin ich dann hier«, sagte Eddie, dessen Gaumen sich wie Sandpapier anfühlte.
    »Kurz vor der psychotischen Phase wurde sie einmal wach und hat nach dir gerufen. Außerdem wollte es Cozmic so.«
    Cozmic wollte es so. Der Wichser. Tina konnte Räder bauen, sie sollte nicht völlig abdrehen. Komm, dreh ab, dachte Eddie in wildem Haß, werd verrückt, bleib es, dann können wir beide gehen, dann kommen wir beide hier raus. Aus dem Reich der mörderischen Regentonnen und der betrunkenen Klettergerüste. Knall durch. Ruf nach Papa.
    »Es sieht nicht schlecht aus«, sagte die Frau. »Kerrang ist ein Teufelszeug, aber wenn der User nicht zu lange drauf war, ist nach der psychotischen Phase meist wieder alles in Ordnung.«
    »Was bist du?« hörte Eddie sich fragen. »Eine Scheißpsychologin? Ein Arzt, oder was?«
    Die Frau sagte ruhig und bestimmt:
    »Das unter anderem. Ich bin in einer halben Stunde wieder hier.«
    Sie schloß die Tür hinter sich auf eine Art, die Eddie anwies hierzubleiben. Tina rief nach ihrem Papa. Eddie dachte, es sei jetzt eine gute Gelegenheit zum Weinen. Er tat es dann auch. Und Gottseidank ging dabei seine Erektion zurück.
     
    Tina hörte nicht auf mit ihrem Irrsinn. Was sollte er tun, zur Tür hinausmarschieren und hoffen, daß sie ihn dort einfach gehen lassen würden? »Komm doch, Papa!« Wie lang konnte er das noch aushalten? Wie lange konnte sie das noch aushalten? Eddie suchte nach etwas, mit dem er Tina den Speichel von den Wangen wischen konnte. Ihre Augenlider flackerten haltlos, in ihren Pupillen spiegelte sich das grelle Licht der Neonröhren an der Decke. Der Raum hatte kein Fenster. Waren sie unter der Erde? Wahrscheinlich. Eddie sah sich in dem Raum um. Die Instrumente waren wohl gebraucht, aber funktional. Blutdruckmesser, Thermometer, alles war in passablem Zustand. Hinter dem Bett, an der Wand, war eine grüne Metallklappe von der Größe einer Kleiderschranktür zu sehen; dahinter konnte alles stecken, sogar ein Lifesaver Pro von Hewlett Packard mit Komaressourcen für zwei Jahre. War das das einzige Krankenzimmer in dieser Art, oder hatte Cozmic seine Leute hier unten ein ganzes Lazarett aufbauen lassen? Und wenn ja, warum? Es hatte noch selten Sinn gehabt, Cozmic nach einem »Warum« zu fragen. Cozmic tat die Dinge, die er tun wollte (oder zu denen er sich verpflichtet fühlte) und begründete sie höchstens mit nebulösen Hinweisen auf die »Matrix«, das »Netz«, das »Feld«, Beschwörungsklauseln für die technische Gottheit, unter deren Schutz sich Cozmic gestellt hatte. Er hätte genauso gut Rama, Shiva und Krishna sagen können, aber er war ein Techniker. Vielleicht hätte Cozmic ihm sagen können, ob er jetzt ganz offiziell der Weichwaffelbeauftragte für Tina war oder ob sie ihn nicht doch lieber

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