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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Erinnerung an eine Netspacesendung, in der eine Apotheke des 19. Jahrhunderts dargestellt gewesen war), Regale voller kleiner dunkler Schatten mit hellen Schildchen daran, Abstellkammer. Die Strahlungen hatten Tina auf dem Boden abgelegt und machten sich an der Dachverkleidung zu schaffen, das dauert ja ewig, dachte Eddie, und wo sind die Bullen jetzt? Ein Teil der »Dachsparren« war schließlich gelöst, dahinter wurde so etwas wie ein Hohlraum zwischen der Verkleidung und dem wirklichen Dach sichtbar, Tina wurde hineingeschoben wie ein Brot in den Ofen, Eddie sollte selbst hineinklettern. Die Lücke wurde geschlossen, und es wurde Nacht in ihrem Versteck. Er hörte den Rückzug der anderen nicht, offenbar war das Versteck schallisoliert. Wenn die Bullen speziell nach ihnen suchten, hatten sie keine Chance. Echolote, Stethoskope, Röntgen – you name it. Wenn das nur eine Durchsuchung war unter bundesweit tausend anderen, dann konnten sie es schaffen. Eddie versuchte seinem Herzen gut zuzureden, damit es leiser klopfte. Er atmete auch sehr sparsam, weil es hier drinnen, in diesem sich schnell aufheizenden Futteral, nicht sehr viel Luft zu geben schien. Er streckte eine Hand nach Tina aus und bekam ihren Kopf zu fassen. Indem er sie streichelte, beruhigte er sich selbst mehr als irgend jemand sonst. Stille. Hitze. Schweiß.
     
    Nach einer Ewigkeit brach die Verkleidung weg, und frische Luft strömte in das Versteck, klatschte ihm in die Lunge wie kaltes Wasser auf die Haut, Erlösung, Erlösung. Er hatte soviel von den Fasern der Fütterung hier eingeatmet, daß er glaubte, es seien keine freien Lungenbläschen mehr übrig. Die Strahlungen, die sie herauszogen, sahen selbst in dem Dämmerlicht nicht sehr glücklich aus. Als Eddie anfangen wollte zu husten, hielt ihm einer den Mund zu, ein anderer deutete mit Zeige- und Ringfinger auf seine Nüstern, Eddie gehorchte, husten mußte er aber doch. Ein anderer, über und über im Gesicht tätowiert, hielt die Hand in Tinas Atem und an ihre Halsschlagader, gab dann stumm das O.K.-Zeichen. Frisur wie ein Sioux auf Kriegspfad. Sie hatten eine Trage dabei. Sie liefen die Treppen jetzt zu Fuß, und schon bei den Seitenblicken in die kahlen Gänge konnte Eddie erkennen, daß das Bolo im Arsch war. Überall lag Papier verstreut, mechanische Tiere lagen umgestürzt und leblos auf der Seite, zerbrochene Kloschüsseln, zerrissene Bücher, eingetretene Türen, zerschlagene Möbel, pulverisierte Elektronik, manche der Gänge waren unpassierbar. Überall war der Lärm von Aufräumarbeiten zu hören, heulende Sägen und Trennscheiben, Gehämmere, Gepoche. Das Bolo hatte Kopfweh, eine Gehirnerschütterung, nachdem es mit einem Polizeiknüppel über den Schädel geschlagen worden war, und die Adern an den Schläfen pochten. Die Strahlungen, die sie tiefer in die Erde hinab begleiteten, sahen müde und abgekämpft aus. Eddie hatte überhaupt kein Zeitgefühl mehr. Es konnte früher Morgen oder später Abend sein, er fragte jetzt lieber nicht nach der Uhrzeit, genausowenig wie nach Essen. Sein Magen krampfte. Mit seinem Mundgeruch hätte man vermutlich eine Katze töten können. Die tätowierte Strahlung hielt an einer unspezifischen Stelle der Mauer seine Hand an den Putz, und aus dem Nichts erschien eine grüne Tür. Eddie war sich sicher, daß er nicht träumte, deswegen gab es für dieses Phänomen nur eine Erklärung: Cozmic experimentierte mit Wavecam. Wahrscheinlich hatte er bei seinen Streifzügen durch fremde Datenbanken irgendwo diesen Trick zur Wellentarnung gefunden und ihn einfach umgesetzt. Cozmic war noch nie ein sehr kreativer Kopf gewesen, aber schon immer der perfekte Umsetzer. Er setzte die Ideen anderer Leute schon um, wenn die noch gar nicht gemerkt hatten, was da auf ihrem Mist gewachsen war (ganz ähnlich wie sein Vater, der als Antiquitätenhändler Leuten Millionenwerte abgeschwatzt hatte, indem er sie davon überzeugt hatte, das sei altes Zeug, was da auf ihrem Speicher herumliege). Aber Wavecam brauchte unglaublich viel Energie. Wo nahm Cozmic die her? Hinter der Tür: ein Aufzug? Ein Schleusensystem! Eddie fragte sich, ob Cozmic hier unten nicht vielleicht doch irgendwo einen Kernreaktor versteckt hatte. Massive Bolzen, Schweißnähte wie für 300 Atmosphären. Eine innere Tür glitt hinter die erste, leises Summen, die gegenüberliegende Wand glitt weg wie Papier, die tätowierte Strahlung legte ihre Hand auf grünen Stahl, und zweihundert Gesichter sahen

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