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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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verrückt. Eddie lernte noch etwas. Der Saal, in dem Cozmic Eddie in die Fresse geschlagen hatte, war eine Disco.
    Das letzte, was Eddie in den zwei Tagen vor seiner Abschiebung aus dem Strahlungenbolo lernte, bezog sich auf das Zustandekommen der Prellungen in seinem Gesicht. Je öfter er den Gedächtnisclip mit dem auf- und abgehenden Cozmic ablaufen ließ, desto sicherer wußte er, daß Cozmic hier nicht etwa spontan seiner Wut freien Lauf gelassen hatte, sondern daß er sie sich angezogen hatte wie eine schlecht sitzende Jacke, die er mit jedem Satz mehr und mehr in Fasson gezupft hatte. Natürlich fühlte ein Alphawolf wie Cozmic sich zu Bestrafung von Missetätern berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet. Natürlich war die Veranstaltung in der Disco eine Psychoshow zur Steigerung der Truppenmoral gewesen (und dementsprechend war Eddie in den Tagen vor seiner Abschiebung immer am gernsten gelitten, wenn er eine Miene der Reue zur Schau trug). Aber das erklärte nicht den platzend zufriedenen Eindruck, den Cozmic unwillentlich bei all dem hatte durchblicken lassen. Eddie konnte sich zunächst keinen besonders guten Reim darauf machen, außer den sadistischen, aber Cozmic hatte Gewalt noch nie aus Gründen des Vergnügens eingesetzt, sondern höchstens taktisch. Den ersten Freßschlag von Cozmic hatte sich Eddie geholt, weil er ihn in einer Diskussion über die Windräder auf dem Dach argumentativ und fachlich niedergeredet hatte. Cozmic hatte Windräder von einem befreundeten Bolo beziehen wollen und nicht von der großen Industrie, Eddie hatte sie getestet und danach als einen »Haufen Scheiße« bezeichnet. Cozmic war gereizt gewesen und hatte ihm daraufhin eine geknallt. Das hier war etwas anderes gewesen. Seine Lehrer im geschlossenen Haus hatten Eddie für sehr intelligent gehalten, wenn sie ihm auch dringend mehr Sozialkompatibilität empfahlen. Wann immer er an das Zeugnis dachte, auf dem diese Beurteilung eingetragen gewesen war, dachte er auch an die Nacht, als er dem Klassenquäler mit einem Messer in den Fuß gestochen hatte, die Wunde hatte seinerzeit genäht werden müssen. Der Klassenquäler hatte deswegen nicht an einem Fußballspiel teilnehmen können, und eine Woche später war Eddie vom Turm gefallen. So ging das eben. Fehlende Sozialkompatibilität. Nachdem der Film mit Freßschlag Nr. 2 oft genug durchgelaufen war, lieferte ihm seine überdurchschnittliche Intelligenz folgendes Ergebnis:
    1. Im Strahlungenbolo gab es keine Spitzel. Außer Cozmic.
    2. Cozmic schaffte aber auf eigene Rechnung. Er freute sich diebisch, daß die Bullen weder Eddie noch seine wavecamgetarnte »Disco« entdeckt hatten. (Genausowenig wie die Energiequelle, auf die sich Cozmics Budenzauber stützte. Geigerzähler hatten die Bullen wohl keine dabeigehabt.)
    3. Cozmic war tierisch scharf auf die Gezeitenmaschine, ansonsten hätte er sie beide längst nach Preungesheim verfrachten lassen.
    4. Wenn sie hier rauskamen, hatten sie nicht mehr nur die EFF am Arsch.
    5. Es brummte was in der Boloszene.
     
    Neonbaby saß aufrecht, mit nacktem Oberkörper, und ließ seinen Kopf auf eine Art kreisen, daß man annehmen mußte, er habe große Übung darin. Besser gesagt, sein Gesicht ruckte auf Umlaufbahnen um eine imaginäre Mitte herum, die vielleicht Kreise geworden wären, hätte er sie nur vollendet, aber dazu wechselte er viel zu abrupt die Richtung. Seine Hände flackerten links und rechts neben dem Kopf umher, als bedienten sie imaginäre Schalter und Tastaturen. Sehr schnell. Vor seiner schwitzenden Stirn hing in etwa fünf Zentimetern ein »Fenster«, dreißig mal dreißig Zentimeter vernetztes Licht, die Projektionseinheit hing um Neonbabys Hals. Nach allem, was Eddie sehen konnte, befand er sich gerade in einer schwierigen Situation, weil sein Leichtjäger nahe dem Übertritt ins Sternentor von den Salven der feindlichen Ga getroffen wurde. Die beiden anderen Besatzungsmitglieder des Jägers waren offenbar im Moment keine große Hilfe. Virtual reality war eine ganze Zeit lang tot gewesen, weil niemand wirklich diese ätzenden HMDs hatte tragen wollen, nur um ein paar Außerirdische zu killen oder einem Topmodel an die Wäsche zu gehen. Mit den Projektionseinheiten, die man sich wie Schmuck um den Hals hängen konnte, hatte sich das schlagartig geändert. (Und es waren Modelle von der Größe einer Perle angekündigt.) Neonbaby schwitzte, seine langen Beine in den schwarzen Lederhosen zuckten scheinbar ohne Kontrolle.

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