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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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berappt, Unsummen, sag ich dir. Du solltest mir dankbar sein. War ja keine schöne Zelle, das da. Ich hätte dich früher rausholen wollen, aber die Bullen wollten partout mit dem Preis nicht runtergehen. Sie haben es aber dann doch eingesehen, daß die Impact ihrer Investigativpflicht nachkommen muß, wenn einer ihrer Mitarbeiter unter ungeklärten Umständen zu Tode kommt. Vor allem, wenn das in internationalen Gewässern geschehen ist. Und deswegen haben sie dich dann eben doch freigegeben, zu einem sehr hohen, aber gerade noch tolerablen Preis.«
    Es sprach der Berufskriminelle (oder der ehemalige Polizist), der sich nun im Dienst einer mächtigen Firma den Niederungen der Moral ganz entkommen glaubte. Der souveräne Söldner, freie Hände, Macht im Rücken, und wenn was schiefging: woanders hin.
    Dann hielt er zum Glück die Schnauze. Sogar ihm mußte es jetzt zum Faseln zu heiß sein. Alles schmolz. Die Hitze überschlug sich, fraß sich selber, ein rotes Tier, das Feuer schluckte, verdaute, schiß. Einer der Schläger machte das Fenster einen Spaltbreit auf, es war so heiß, daß sie von draußen gefönt wurden. Noch eine Militärkolonne. Noch drei Motorradfahrer. Eddie bekam großen Durst. Eddie sah die Menschen in ihren Fahrzeugen umgeben von einem blauen Dunst, der sie elektrisch leitend machte. Sie steckten wie in Kokons elektrischer Energie, die nur darauf warteten, vom Blitz getroffen zu werden. Noch schien die Sonne, und Eddie war sich sicher, daß niemand anders die Kokons sehen konnte, in denen sie alle steckten, seine Begleiter hier drinnen, die Radfahrer, alle. Bis auf die Motorradfahrer, deren schwarze Jacken plötzlich wie in die Luft gestanzt waren, schwarze Splitter Unlicht, eine Zeit auf gleicher Höhe schwebend, Spuren bis zum Horizont. Die Motorradfahrer waren zu schnell für Blitze. Ansonsten Kokons, wohin man sah. Wann immer Eddie Tina ansah, lächelte sie. Vielleicht doch auf Dope? Alles schmolz. Dann warf der Himmel mit Reis nach ihnen. Blitze, das Nervensystem des aufgeregten Himmels-Tiers. Eddie trank Wasser oder bildete es sich ein.
     
    Es prasselte und prasselte. Auch die Luft im Wagen kühlte sich langsam ab. Das mikrostrukturierte Fensterglas ließ den Regen so fein ablaufen, an den Fenstern allein hätte man nicht gemerkt, daß es regnete. Sie kamen jetzt nur noch langsam voran. Links neben ihnen rollte ein Familienrad träge vorbei, ein kleines Mädchen mit langen blonden Strähnen sah fragend zu ihm auf. Brauner II machte sich seit einiger Zeit an der Unterhaltungselektronik des Wagens zu schaffen, die Tatsache, daß weder Radio noch Fernsehen richtig funktionierten, schien ihn ein wenig zu verstimmen. Schlecht, dachte Eddie, verstimmte Grausamkeit war schlimmer als funktionale. Und er wollte schnell sterben. Brauner II ließ den Fahrer-Schläger bei einem Parkplatz rausziehen. Man öffnete die Türen, und Eddie atmete frische Luft, zum ersten Mal seit Stunden. Er war immer noch sehr durstig. Der Regen prasselte auf die hauchdünnen Folien, die sich blitzschnell zwischen geöffneter Tür und Karosserie aufgespannt hatten, im Inneren blieb alles trocken. Eddie konnte sich nicht erklären, woran er es erkannte. Vielleicht an der Art, wie der Fahrer beim Rauchen seine Beine baumeln ließ. Vielleicht an der Art wie er rauchte. Das war Jojo. Jojo hatte sich einen neuen Arm machen lassen und ein neues Gesicht. Seine Statur war jetzt ein wenig voller. Aber da saß Jojo Bleichdepp, einen halben Meter von ihm entfernt. Und jetzt drehte er sich um. Und sah Eddie an. Grinsend. Feine Chirurgenarbeit, und wahrscheinlich ganz ohne Silikon. Keine Narben. »Was habt ihr eigentlich mit meiner Kanone gemacht?« fragte er Eddie, immer noch grinsend. Eddie antwortete nicht, sondern versuchte der Zigarettenglut auszuweichen, die Jojo langsam über sein Gesicht tanzen ließ. »Aufhören«, sagte Brauner II. Jojo ließ noch einmal die Zigarette zucken, dann sagte er: »Kommt alles zu dir zurück, Arschloch.« Und drehte sich um, leise lachend. Tina starrte mit schreckgeweiteten Augen. In den großen Städten wurde schon gekämpft.
     
    Die letzten Kilometer auf seinen Tod zu war Eddie sehr klar. Möglicherweise befand er sich in einem Stadium des Durstes, das geistige Klarheit induziert, möglicherweise gab es ohnehin nichts mehr zu diskutieren. Brauner II hatte immer sie beide verfolgt, weil er nicht einfach mit zweihundert Mann in den »Wohlfahrtsausschuß« hatte einmarschieren können, um Tinas

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