Wind & Der zweite Versuch
Haus in kleine Plastikchips zu zerlegen, bis die Stäbe gefunden waren. Viel zu viel Wind um eine Sache, die keinen Wind vertrug. Er hatte auch niemand allein dorthin schicken können, diese Bolos waren verschworene Gemeinschaften, und ein Fremder fiel schneller auf als der Kontaktbulle vor Ort. Ganz einmal abgesehen davon, daß diese Bolotypen technisch teilweise ziemlich avanciert waren, und es war nicht anzunehmen, daß Tina die Stäbe beim Oregano oder bei den Putzmitteln versteckt hatte. Es gab so viel Scheiße in den Bolos, die giftig war, explodierte, tarnte oder sonst Dinge tat, die Brauner II und alle seine Lakaien daran gehindert hätten, sich die Stäbe mit heiler Haut allein unter den Nagel zu reißen. Brauner II hatte Tinas Rad gesehen, und er war nicht doof. Er hatte auch nicht die Sicherheitskräfte mit dem Problem belästigen können, die Sicherheitskräfte durften ebensowenig von den Stäben etwas wissen wie alle anderen. Also hatte er immer sie beide selbst gebraucht, zuerst damit sie ihm die Kastanien aus dem Feuer holen konnten, dann um sie zu verbrennen. Das alles war Eddie klar, und er schwebte wie über den Wassern. Das Gewitter hatte längst aufgehört, und die Straßen waren wieder trocken. Dennoch lag eine seltsame Spannung über der Stadt, die Eddie deutlich wahrnahm. Militär und Polizei in den Straßen, doppelt so heftig wie sonst. Brauner II schien nun doch etwas angespannt, wie ein Fallschirmspringer an der Luke. Auch Jojo und der zweite Schläger waren sehr mit dem Fahren beschäftigt. Wenn sie jetzt von einer Bullenstreife kontrolliert wurden, konnte Brauner II alles vergessen, und hier waren eindeutig zu viele Uniformierte unterwegs, um dieses Risiko vernünftig abschätzen zu können. Dachte Eddie. Er sah Tina an. Sie versuchte ihn mit Blicken auf etwas aufmerksam zu machen. Endlich begriff er: bei der Fahrt war Stück für Stück, Millimeterbruchteil für Millimeterbruchteil ein Gegenstand aus einem versteckten Futteral zwischen den Vordersitzen hervorgeruckelt worden. Dieser Gegenstand sah wie das Kolbenende eines Gewehrs aus. Eddie sah so klar, daß er die schmalen Rippen in der Schulterrundung erkennen konnte. Er fühlte sich elend. Irgendwie mußte er plötzlich daran denken, wie sein Vater gesagt hatte, ihm seien die Hände gebunden. Eine kleine Bodenwelle. Das Gewehr rutschte noch ein wenig weiter aus dem Futteral heraus. Leichtbauweise. Der Kolben sah wie ein Schweizer Käse mit sehr großen Löchern aus, wegen der Gewichtsersparnis. Wahrscheinlich ganz aus Kunststoff. Sah aus wie eine Spray-Gun. Eddie konnte die Schweißperlen im Brauner-II-Nacken sehen, und er betete für eine Gelegenheit, irgendeinen dämlichen Bullen mit heftigen Kopfbewegungen auf sein Schicksal aufmerksam zu machen. Es kam keine. Statt dessen gab es Truppenbewegungen auf den Straßen der Stadt, und die ersten Checkpoints wurden offenbar gerade erst errichtet. Bis auf den uniformierten Verkehr waren die Straßen fast leer, Eddie kam es wie ein Wunder vor, daß sie nicht an jeder Straßenecke angehalten wurden. Dann fiel ihm ein, daß die Service- und Werkschutzwagen der Impact auch hier in Emden zum Alltagsbild gehören mußten, wegen der Windfarmen, die sich von der Leybucht bis nach Emden herunterzogen, computergenau den Durchschnittswinden angepaßt. Welche Form der todesverachtenden Sentimentalität brachte ihn in diesem Augenblick dazu, an den Wasserläufer zu denken, mit dem er vor zehn Tagen? einem Monat? einem Jahr? von Bravo West nach Emden geflohen war, um Tina in die ganze Scheiße hineinzuziehen? Er wußte es nicht. Aber war nicht auch er hineingezogen worden, von diesem Eierkopf Brauner, der es nicht hatte lassen können, auf Kosten seiner Firma Dinge zu erfinden, die ihr schadeten? Bevor er in seiner poetischen Bitterkeit ertrinken konnte, hielt der Wagen, kaum dreißig Meter vom Eingang des Wohlfahrtsausschusses entfernt, man konnte das Licht in der Bude des Grenzschützers herüberschimmern sehen, allerdings war man heute abend dort zu zweit. Jojo schaltete den Motor aus und zog ein schwarzes Futteral aus seinem Hemd, während Brauner II den anderen Schläger, der eine Kleisterpistole gezückt hatte, aus dem Wagen trieb. Eddie schwebte über den Wassern. Man war offenbar sehr in Eile. Eddie und Tina wurden von den Sitzen gelöst und wie Puppen in Hockstellung an den Wagen gelehnt, die Schiebetür blieb offen, so eilig war es. Eddie wurde vom Kleister befreit, seine Lippen zuletzt, und
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