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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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sagte:
    »Hier ist Rauchen verboten.«
    »Du armer Irrer«, antwortete Brauner II.
     
    Brauner II rauchte auch im Wagen. Eine Zigarette nach der anderen, bis die Luft in dem stickigen Wageninneren kaum noch zu atmen war, besonders dann, wenn einen die mit Kleister verklebten Lippen zum Atmen durch die Nase zwangen. Es war erst Ende April, aber trotzdem stank das Land vor Hitze, und das Wageninnere stank außerdem nach kaltgewordenem und von der Sonne wieder aufgewärmtem Zigarettenrauch, heißem Plastik, nach dem Schweiß von fünf Menschen, nach Macht, nach Angst. Eddie war mit Kleister gefesselt, seine Füße klebten auf dem Boden, seine Hände auf seinen Knien, sein Hose am Sitz, seine Jacke an der Lehne, seine Lippen aufeinander. Kaum Bewegung möglich, und alles sah ganz natürlich aus. Eddie wunderte sich noch immer darüber, wie schnell er beim Anblick seines Feinds wieder nüchtern und klar geworden war, gestern abend noch hatten die Insekten mit ihm gesprochen, jetzt verstand er ihre Sprache schon nicht mehr. Seine Rastas nahmen keinen Schweiß auf, alles lief ihm in den Kragen seines T-Shirts und kühlte doch nicht. Wenn man aus dem Fenster sah, blendete einen das Wüstenlicht über Deutschland mit Reflexen in den Fenstern anderer Fahrzeuge, es war wiederum unverhältnismäßig viel Militär unterwegs, und jetzt, wo das Wetter sich so zweiradfreundlich gab, war jedes Motorrad auf der Straße, dessen Fahrer sich aufrecht auf dem Sitz halten konnte. Eddie sah, daß die neue Kawasaki-Honda 1200 Kryo-E ein voller Erfolg gewesen sein mußte, die Fahrer dieses Typs saßen auf ihren Maschinen, als ritten sie das Ei des Kolumbus. Wenn Eddie eine höhere Lebenserwartung gehabt hätte, hätte er über jeden dieser Vollidioten lachen müssen, die sich in ihr elektrisches Motorrad ein Soundsystem einbauen ließen, das die Maschine zum Röhren brachte wie die Ottomotoren von früher. Eddie hatte maximal noch einen Tag zu leben, deswegen und wegen seines verklebten Munds lachte er sehr sparsam. Sicher, es gab Pluspunkte, zum Beispiel saß Tina neben ihm, genauso an den Füßen und den Händen mit Kleister gefesselt wie er, aber ihr Gesicht strahlte mehr Lebendigkeit aus als zu jedem Zeitpunkt innerhalb der letzten beiden Wochen, Eddie machte das eine kurze Weile lang so fröhlich, daß er sein Herz in Händen halten wollte, um es ihr zu geben. Wer weiß, ob sie es nicht genommen hätte, in diesem Augenblick. Als einen weiteren gewichtigen Pluspunkt verzeichnete Eddie, daß Jojo nicht wieder aufgetaucht war, scheinbar waren seine Verwundungen bei dem Massaker in Hamburg so schwer gewesen, daß sie seine Karriere als Lohngangster für den Werksschutz bei der Impact abrupt beendet hatten. Gut so, die beiden Schlägertypen in der Reihe vor ihnen hatten wenigstens keinen Grund für persönliche Rachegelüste, sie würden nur ihren Job machen wollen. Eddie sah aus dem Fenster. Gerade zog wieder ein Motorradfahrer an ihnen vorbei, der schwarze Helm reflektierte die deutsche Wüstensonne in grellen Reflexen. Unter dem dunklen Visier war kein Gesicht auszumachen, es sah aus, als stecke der Kopf in einer schwarzen Kugel (Uvex Shieldforce Ultralite). Das Motorrad war keine Kawasaki-Honda, sondern ein leichteres, wenn auch nicht weniger kraftvolles Modell. Mußte ganz was Neues sein.
    »Weißt du, Eddie«, sagte Brauner II und inhalierte tief, »du bist ja schon einer. Meine Güte, diese Show in Hamburg. Beinah filmreif. Ich wußte ja, daß du nicht abdrückst. Du hast ein zu weiches Herz. Ich habe gar keines, das ist besser.«
    Und was soll das jetzt? Langweilt sich der Arsch? dachte Eddie.
    »Wenn das nicht so dumm gelaufen wäre, ich würde dich für mich arbeiten lassen.«
    Eddie wollte sagen: Ich sage Ihnen, wo die Stäbe sind. Ich gebe sie Ihnen persönlich. Ich arbeite für Sie. Ich tue alles, was Sie wollen. Wenn Sie mich am Leben lassen. Aber er brachte nur ein rhythmisches Gemaunze zustande, wegen seiner zugeklebten Lippen.
    »Das weiß ich doch«, antwortete Brauner II. »Aber du siehst doch ein, daß ich dir dein weiches Herz herausreißen muß, wenn du mir alles gesagt hast. Das siehst du doch ein? Du bist nicht so dumm, nein-nein. Aber wie du uns da die Schnauze vollgegeben hast in Hamburg, alle Achtung. Und wie ritterlich gegenüber der kleinen Schlampe. Weißt du eigentlich, was das kostet, dich aus der Administrativhaft heraus freizukaufen. Die Ordnungskräfte sind da je teurer je strenger. Unsummen haben wir

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