Wind Die Chroniken von Hara 1
zerschlägst diese Untoten doch spielend!«
Ich beobachtete, wie Giss die Augenbrauen hochzog.
»Wer hat dir gesagt, dass ich eine Schreitende bin?«, erwiderte Lahen verblüfft.
»Oder eine Glimmende. Ga-nor und ich haben gesehen, wie du im Dorf eine Windhose entfesselt und damit die beiden Ascheseelen getötet hast.«
Wunderbar! Da wussten diese beiden Herren also weitaus mehr über uns, als wir angenommen hatten.
»Da irrst du dich«, widersprach Lahen erstaunlich sanft. »Denn leider bin ich weder eine Schreitende noch eine Glimmende. Auf meine Hilfe müsst ihr also verzichten. Meinst du vielleicht, wenn ich nur etwas von alldem könnte, würden wir hier noch rumsitzen?«
»Ich habe gedacht …«, setzte Luk an, aber ich fiel ihm ins Wort, indem ich voller Entschiedenheit erklärte: »Das Tor muss geöffnet werden. Das werde ich erledigen. Wenn da draußen zu viele Untote auf uns warten, zerquetschen sie uns in diesem Hof und verschlingen uns mit Haut und Haar. Zusammen mit den Pferden. Lasst sie also nicht reinkommen. Ich glaube, wir sollten uns in zwei Gruppen aufteilen, die jede für sich versucht, zum Stadttor zu gelangen. Die erste Gruppe lenkt diejenigen ab, die hier reinströmen. Bestimmt jagen diese Kreaturen ihr nach, sie sind nämlich nicht allzu helle.«
»Dann geht diese Gruppe ein hohes Risiko ein.« Giss tätschelte nachdenklich den Kopf seiner Stute. »Gut, aber es muss sein. Ich komme mit dir, denn die Stadt kenne ich wie meine Westentasche. Ich bringe dich hier raus.«
»Und ich auch«, sagte Lahen.
»Nein.«
»Aber …«
»Nein!«, schrie ich. »Du bleibst bei Ga-nor, Shen und Luk. Keine Widerrede!«
Mein Augenstern blinzelte mich wütend und mit zusammengekniffenen Lippen an.
»Ich schließe mich dir und Giss an«, brachte da der Herr Medikus überraschend heraus. »Ihr werdet Hilfe brauchen.«
Alle Achtung! Das hätte ich ihm nicht zugetraut!
»Gut. Dann wäre das geklärt. Und jetzt lasst uns die Sache angehen!«
»Ness«, rief Lahen. »Wir müssen miteinander reden.«
Wir warteten, bis die anderen den Stall verlassen hatten.
»Was hast du vor?«, fragte Lahen in scharfem Ton.
»Ich versuche, dein Leben zu retten. Unterbrich mich nicht! Bei den beiden bist du viel besser aufgehoben als bei mir. Auf Ga-nor kannst du dich jetzt eher verlassen als auf mich. Er ist ein erfahrener Soldat – zusammen mit ihm schaffst du das. Und auch Luk ist ein guter Mann, trotz seiner Unbedarftheit. Ich allein bring dich hier nicht lebend raus. Weder Giss noch Shen sind mir da eine große Hilfe, eher im Gegenteil.«
»Und du?« Mit verdrossenem Blick starrte sie auf den Boden. »Was wird aus dir?«
»Mach dir keine Sorgen, ich schaff das schon. Nur darfst du da nicht in meiner Nähe sein«, sprach ich die bittere Wahrheit aus. »Allein kann ich schneller losfegen als der Wind. Und ich werde nur mich verteidigen, niemanden sonst. Wenn du bei mir bist und etwas geschieht, würde ich dich nie im Stich lassen. Und das hieße nichts anderes, als dass wir beide für alle Zeiten in dieser verfluchten Stadt blieben.«
Sie wusste, dass dem so war, und musste mir letzten Endes zustimmen: Ich hatte ihr einen vernünftigen Ausweg angeboten, damit wir beide überlebten.
»Du hast ja recht.« Sie wandte sich ab, um ihre Tränen zu verbergen. »Ich bitte dich nur inständig, nicht anzuhalten, wenn der Bote oder der Medikus Hilfe brauchen. Behalte die Regeln der Gijan immer im Hinterkopf.«
»Ich werde meinen Kopf nicht für sie riskieren«, versprach ich und umarmte sie. »Jeder muss selbst sehen, wie er hier rauskommt. Und du bleib immer bei dem Rotschopf. Er lässt dich nicht im Stich. Ich komme schon durch. Das muss ich einfach.«
»Wollt ihr da einschlafen?«, rief Luk da. »Es wird Zeit. Bald tagt es.«
»Gehen wir«, sagte ich, küsste Lahen und gab sie aus meinen Armen frei. »Pass auf dich auf!«
»Und du auf dich! Ich will dich lebend wiedersehen.«
»Ich werde mir die größte Mühe geben«, antwortete ich grinsend. »He! Und sei nicht so traurig. Alles wird gut werden. Du glaubst doch wohl nicht etwa, dass ich es lange ohne dich aushalte? Wenn alles klappt, treffen wir uns am Stadttor.«
»Und wenn nicht? Wenn dir etwas zustößt?«
»Wir sind schon aus ganz anderen Löchern herausgekommen«, antwortete ich bloß.
»Damals hatte ich noch meine Gabe. Aber jetzt bin ich hilfloser als ein Wickelkind.«
»Deshalb will ich ja auch, dass du nicht von Ga-nors Seite weichst. Wenn ich nicht am
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