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Wind Die Chroniken von Hara 1

Wind Die Chroniken von Hara 1

Titel: Wind Die Chroniken von Hara 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Wahrscheinlich stimmte das sogar. Denn die Ye-arre brauchten gewissermaßen ihre Hühnerstangen.
    Die Straßen waren erstaunlich leer, offenbar zog es die zänkischen Himmelssöhne heute nicht aus ihren Häusern, denn bisher hatte ich keinen einzigen von ihnen zu Gesicht bekommen. Nur ein paar Bewohner aus den anderen Teilen der Stadt und natürlich die mürrischen Soldaten. Die wiederum in erstaunlich großer Zahl durch die Straßen stiefelten. Was wohl geschehen war, wenn man derart viele Ordnungshüter in die Vogelstadt geschickt hatte? Dergleichen hatte es meiner Erinnerung nach noch nie gegeben: dass die Ye-arre zu Hause hockten und der Himmel über Alsgara leer blieb.
    Den Legenden zufolge waren die Himmelssöhne vor vielen Jahrhunderten über die Große Wüste ins Imperium gekommen. Keine Ahnung, was dieses Volk gezwungen hatte, ihre angestammte Hühnerstange zu verlassen und sich bei uns ein neues Nest zu bauen, doch sie wurden ohne Murren, wenn auch nicht mit offenen Armen empfangen. Der damalige Imperator hielt es für eine gute Idee, die geflügelten Menschen als Boten und fliegende Schützen einzusetzen. Die Himmelssöhne meisterten diese Aufgaben mehr schlecht als recht, beharkten sie sich doch oft genug gegenseitig oder heckten Gemeinheiten gegen andere Völker des Imperiums aus. Mit dem Ergebnis, dass Alsgara, Gash-shaku und Okny sie aufs Freundlichste baten, ihre Städte zu verlassen, und ihnen ein recht großes Gebiet zwischen dem Sandoner Wald und Uloron überließen. Die Menschen nannten diesen Ort voller Spott Gelobtes Land. Natürlich wussten alle ganz genau, dass die Ye-arre damit zwischen den Hammer Ulorons und den Amboss des Sandoner Walds geschickt wurden.
    Doch als sich die Hochwohlgeborenen anschickten, die Ye-arre zu verschmausen (und nur die Flügel wieder auszuspucken), leisteten die Himmelssöhne zur allgemeinen Verwunderung erbitterten Widerstand. Mehr noch, sie halfen unserer Armee sogar, die Spitzohren aus Uloron in den Sandoner Wald zu jagen. Als der Imperator dann vor zwölf Jahren mit dem König des Waldvolks ewigen Frieden schloss, brach nicht nur im Gelobten Land, sondern im gesamten Imperium eine Zeit der Ruhe und des Friedens an. Daraufhin wollten sich ein paar Schlauberger aus dem Geschlecht der Menschen das fruchtbare Gelobte Land gern zurückholen, aber da bissen sie bei den Ye-arre auf Granit.
    Allerdings hatten sich nicht alle Himmelssöhne in den Osten des Imperiums aufgemacht. Ein recht großer Teil von ihnen war auch in Alsgara geblieben. Der Stadtrat hatte eingewilligt, sie zu dulden, was wohl vor allem daran gelegen haben dürfte, dass ein Viertel der Einnahmen, die in die Stadtkasse flossen, von den Stoffen stammte, die die Ye-arre erstellten. Dieses Tuch war ebenso prachtvoll wie die östliche Seide und kostete horrende Summen. Seinetwegen legten Schiffe aus der ganzen Welt im Hafen an. Selbstverständlich wanderte ein Teil des Erlöses auch in die Klauen des Stadtrats und des Statthalters – was einmal mehr erklärte, warum sie nicht auf die prächtigen goldenen Gänse zu verzichten gedachten.
    In einer Straße der Vogelstadt blieb ich stehen und weidete mich am Anblick der sauberen weißen Häuschen des angrenzenden Hafenviertels, der Piers in der Ferne und des bläulichen Nebels über dem Meer. Rechts von mir keilte sich zwischen einen hohen Turm mit drei Helmen und eine billige Schenke ein einstöckiges Haus. Im Erdgeschoss fand sich ein Laden, in dem Seide der Ye-arre feilgeboten wurde. Drei von vier Fenstern waren mit Läden verschlossen.
    Daraufhin schlenderte ich zum Ende der Straße und blieb erneut stehen, um meinen entzückten Blick durch die Gegend schweifen zu lassen.
    Wunderbar. Niemand war mir gefolgt. Beruhigt kehrte ich um und öffnete die schwere Tür des Tuchladens.
    Die Kupferglocke über mir gab einen schneidenden Ton von sich. Der Raum war schummrig. Das Licht von der Straße schaffte es nicht, ihn zu erhellen, aber die Besitzer machten keine Anstalten, ausreichend Lampen anzuzünden. Es brannten nur zwei, eine rechts von mir und eine, die sich am anderen Ende des Geschäfts befand, an der Treppe, die nach oben führte. Ich kam nicht umhin, die Eleganz dieser Lösung zu bestaunen. Auf der einen Seite trat jeder Besucher in einen Lichtkreis und stand folglich wie auf dem Silbertablett, auf der anderen Seite blendete ihn die hintere Lampe. Und es dauerte länger als eine Sekunde, sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Das reichte den

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