Wind Die Chroniken von Hara 1
um etwas über sein Schicksal zu erfahren. Komm ein andermal wieder.«
»Du weißt, dass ich nicht deswegen gekommen bin.«
»Für einen Menschen bist du furchtbar geduldig«, antwortete sie mit einem schiefen Grinsen. »Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, wann du die Sprache auf deine Jungfrau bringen würdest.«
»Ist sie hier?«
Mit stockendem Herzen wartete ich auf ihre Antwort.
»Geh die Treppe rauf. Die zweite Tür rechts.«
Ich stand auf.
»Nebenbei bemerkt!«, hielt mich Yola zurück. »Du schuldest mir noch einhundertundfünfzig Soren. Wenn ihr zwei, du und Lahen, es so liebt, fremde Häuser anzuzünden und in ihnen ein paar verkohlte Leichen zu hinterlassen, dann seid wenigstens so gütig, für den Schaden zu zahlen.«
»Ich bin mir sicher, dass du diese Summe bereits Lahen abgeknüpft hast, sobald sie zur Tür hereinkam.«
»Ich schwöre es bei Khaghun«, brachte Khtatakh unter schallendem Gelächter heraus. »Heute ist wirkwalich nicht dein Tagwa, mein Kwükwen!«
»Brüll hier nicht so rum! Bring ihn lieber hoch und pass auf, dass er unterwegs nichts klaut.«
»Schon gwut, sei nicht böse, alte Kwarähe, wird sofort erledigwat«, versprach Khtatakh immer noch wiehernd und trat endlich ins Licht.
Khtatakh war ein Blasge. Mit der typischen aschgrauen, blasigen Haut, den unnatürlich langen, kräftigen Armen und der buckligen Haltung. An dem großen, massiven Kopf fielen vor allem die riesigen, nussbraunen Augen und der breite Froschmund auf. Blasgen sind kein sonderlich schöner Anblick. Vor allem nicht für diejenigen, die sie zum ersten Mal sehen. Die Bewohner der Sümpfe im Süden des Imperiums lebten immer abgeschieden, in kleinen schwimmenden Dörfern, und nur einzelne von ihnen zogen in die große weite Welt hinaus.
Die meisten Menschen halten Blasgen für seltsam und dumm. In der Regel liegt das daran, dass die Sumpfbewohner unsere Sprache nur mit Mühe über die Lippen bringen. Und dann auch an einigen Verhaltensweisen, die einem Menschen absonderlich scheinen mögen. Allerdings wagt es nur selten jemand, einem dieser Sumpfbewohner ins Gesicht zu sagen, dass er ein Dummkopf ist. Angesichts der Stärke und der Flinkheit der Blasgen könnte sich das nämlich als ausgesprochen
dumm
für den Sprecher selbst herausstellen. Ich würde mich jedenfalls nicht mit Khtatakh anlegen. Schon gar nicht, wenn in seinen Pfoten zwei Beile oder Säbel liegen. Ich hatte Yolas Partner einmal bei der Arbeit erlebt. Da hatte er drei erfahrene Räuber, die sich die Seide kostenlos einverleiben wollten, in Kleinholz verwandelt, noch ehe diese auch nur den geringsten Widerstand leisten konnten. Seitdem machten alle Diebe einen weiten Bogen um diesen Laden.
»Ich freue mich, dich gwesund und munter wiederzusehen, Gwarauer. Und ich will dir ein Gweheimnis verraten: Wir waren etwas niedergweschlagwen, als unser Schuppen im Hafenviertel sich in Kwohle verwandelt hat. Lahen und du, ihr seid natürlich Fischkwinder, aber durchaus nicht die schlechtesten. Selbst die alte Yola hat gweweint, als sie eure Kwanochen gwefunden hat.«
»Red keinen Mist«, knurrte Yola. »Ich habe um den schönen Schuppen geweint, den wir in unserer Dummheit diesem Pärchen überlassen haben.«
»Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel«, versicherte ich schnell, um mich dann wieder dem Blasgen zuzuwenden. »Seit unserer letzten Begegnung hast du dich überhaupt nicht verändert, Khtatakh.«
»Ich bin immer noch schrekwalich und furchterregwend?«, fragte er lachend. »Ich bin noch viel zu jungwa, um schon als Tattergwareis durchs Leben zu gwehen. Gwerade mal die siebzigwa habe ich überschritten.«
»Kein Alter! Und stark bist du wie eh und je. Amüsierst du dich immer noch bei Kämpfen?«
»Manchmal«, antwortete er bescheiden, und die nussbraunen Augen verschwanden kurz hinter den durchscheinenden Lidern. »Aber die Spiele hat Yokwa jetzt an sich gwerissen. Der zählt nicht gwerade zu meinen besten Freunden.«
»Dann erfreut er sich also immer noch bester Gesundheit?«
»Zu eurem Ungwalükwa, ja. Aber wir haben langwe gwenugwa hier rumgwestanden. Lass uns hochgwehen.«
Er ging theatralisch langsam und hinkend voraus. Die Stufen knarrten erbärmlich unter seinem Gewicht. Selbst für einen Blasgen war Khtatakh ein besonders kräftiger Bursche. Er war in den Schultern breiter als ich und außerdem schwerer.
»Yola scheint eine Laus über die Leber gelaufen zu sein«, bemerkte ich, als wir oben waren.
»Sie ist heute
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