Wind Die Chroniken von Hara 1
Mitunter also ganz schön wild. Die Kratzer auf meinem Rücken schmerzten süß.
»Ich kann einfach nicht genug von dir kriegen.«
»Nicht?« Die kleinen scharfen Zähne verbissen sich in meinem Nacken. Mit einem weiteren Knurren. »Dann sollten wir vielleicht etwas dagegen unternehmen.«
Viel später, als wir nach einem weiteren Anfall von Leidenschaft im Bett lagen, erklärte ich: »Deine Haare sind so kurz. Auf den ersten Blick habe ich dich gar nicht erkannt.«
»Gefällt es dir nicht?«, fragte mein Augenstern mit einem Lächeln.
»Wie kommst du darauf?! Nur … so kenne ich dich eben nicht.«
»Dieses Opfer musste ich bringen. Wir werden gesucht, und jeder Hinweis ist denen willkommen. Ich hatte Angst, mit langem Haar würde man mich am Tor erkennen.«
Eine Weile schwiegen wir, beide in Gedanken versunken.
»Zwischenzeitlich habe ich schon geglaubt, ich würde dich nie wiedersehen«, durchbrach Lahen schließlich die Stille. »Du hast lange gebraucht.«
»Tut mir leid.«
Was hätte ich sonst sagen sollen?
»Wir sind selbst nur wie durch ein Wunder aus der Dabber Glatze herausgekommen«, sagte Lahen.
»Ich weiß. Ich habe euch gesehen. Ihr hattet lediglich einen Vorsprung von ein paar Sekunden. Wir mussten uns dann durch die Felder schlagen. Gab es unterwegs sonst noch Schwierigkeiten?«
»Nein. Am Stadttor von Alsgara habe ich mich von Ga-nor und Luk verabschiedet und bin gleich hierhergekommen. Du malst dir das nicht aus: Ich war in diesen vier Wänden eingesperrt und habe mich jede Sekunde gefragt, ob du noch am Leben bist oder nicht.«
»Doch, das kann ich mir gut vorstellen, mein Augenstern. Sehr gut sogar. Mir erging es nämlich nicht anders. Wir können von Glück sagen, dass wir den Rotschopf getroffen haben. Bei ihm war ich mir sicher, dass er dich aus diesem Kessel herausbringen würde. Unsere Freunde hatten nichts dagegen, dass du sie verlässt?«
»Ga-nor nicht. Er wusste, dass er mich nicht vom Gegenteil überzeugt, und hat mich ohne Widerrede ziehen lassen. Aber Luk war wirklich traurig und hat mich überreden wollen, bei ihnen zu bleiben. Aber da biss er auf Granit. Sie haben ihre Ziele, wir unsere. Und wir sollten sie nicht in unsere Angelegenheiten hineinziehen. Außerdem wollten die beiden die Schreitenden aufsuchen.«
»Weshalb das denn?«, fragte ich, innerlich auf das Schlimmste gefasst.
»Weil Luk doch die Verdammte Scharlach gesehen hat. Er hat in der Burg der Sechs Türme einer Schreitenden versprochen, das zu melden.«
»Außerdem hat er auch noch Typhus gesehen.«
»Nur ist die tot.«
»Da bin ich mir nicht mehr sicher. Anscheinend hat es unsere Freundin fertiggebracht, aus dem Reich der Tiefe zurückzukehren.«
Daraufhin berichtete ich ihr von der Begegnung mit Pork. Mit jedem Satz verfinsterte sich ihre Miene mehr. Als ich zum Ende kam, hing ein lastendes Schweigen in der Luft. Lahen lag reglos und mit geschlossenen Augen da.
»Kann das stimmen?«, fragte ich irgendwann.
»Willst du die Wahrheit hören? Ich weiß es nicht. Bei den Verdammten musst du mit allem rechnen. Sie sind so stark wie niemand sonst in dieser Welt. Allein ihre Körperhülle zu zerstören ist nicht einfach, von ihrem Geist ganz zu schweigen. Möglicherweise braucht es für Letzteres etwas Solideres als Stahl. Du musst das Wesen selbst zerreißen, den Funken auslöschen. Erinnerst du dich an den Pfeil von damals?«
Ich nickte bloß, denn ich wusste, wovon sie sprach. Natürlich erinnerte ich mich an den, sehr gut sogar. Diese seltsame weiße Spitze aus einem mir unbekannten Material … Und dann das violette Licht, das vor dem Schuss auf die Schreitende aufleuchtete.
»Wenn Typhus noch am Leben ist, stehen uns wohl ein paar Probleme ins Haus«, knurrte ich.
»Gelinde gesagt, ja«, erwiderte sie mit einem Lächeln, ehe sie aufstand und sich anzog. »Ich würde sogar behaupten, es stehen uns gewaltige Probleme ins Haus. Bei dir mag sie nur den Wunsch haben, dir den Hals umzudrehen. Aber bei Shen und mir sieht die Sache schon anders aus. Vielleicht treibt sie ja bloß der Wunsch nach Rache an. Vielleicht. Aber ich würde auch die Möglichkeit nicht ausschließen, dass sie uns aus einem ganz bestimmten Grund braucht.«
»Aus welchem?«
»Zum Beispiel um an einen Körper zu gelangen, der etwas geeigneter ist als der, in dem sie zurzeit steckt. Oder um ihre Gabe zurückzuerobern. Giss war sich sicher, dass sie sehr schwach ist?«
»Ja. Zumindest hat er das behauptet. Aber wer weiß schon, was
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