Wind Die Chroniken von Hara 1
von den dreien.
»Wenn ich nach Alsgara komme, werde ich ein ganz neues Leben anfangen.« Bamuth setzte sich wieder auf. »Ich werde mir ein kleines Häuschen kaufen, vor der Stadt, am Ufer des Meeres. Oder besser noch eine anständige Schenke in der Nähe der Piers. Was machst du mit deinem Anteil, Gnuzz?«
»Ich?« Der Iltis zupfte einer kleinen, unscheinbaren Blume hingebungsvoll die Blütenblätter aus. »Darüber zerbrech ich mir erst den Kopf, wenn ich das Geld in Händen halte.«
»O nein, darüber solltest du dir schon vorher klar werden.«
»Steht euch denn unverhoffter Reichtum ins Haus?«, fragte ich möglichst ungezwungen, obwohl sich in meinem Innern alles zusammenzog. »Erbt ihr was?«
»So in der Art.« Gnuzz stellte seine Zupferei ein und warf mir den kläglichen Stängel zu. »Hier! Freu dich an dem Anblick.«
Bamuth wieherte los.
»Was ist das?«, fragte ich, ohne auf das Gelächter zu achten.
»Der Schlüssel zu zehntausend Soren. Hast du das immer noch nicht begriffen? Der Saft dieser Blume schläfert sogar ein Pferd ein.«
»Ich wusste ja gar nicht, dass du dich so hervorragend in Wald- und Wiesenkräutern auskennst«, giftete ich.
»Im Unterschied zu gewissen Heißspunden durchläuft ein echter Gijan eine lange Schule.« Gnuzz’ Grinsen kroch aus seinem Gesicht. »Lass das! Damit machst du alles nur noch schlimmer!«
Ich unterbrach die Bewegung, mit der ich nach dem Bogen hatte langen wollen, denn Bamuths Armbrust zielte klar und deutlich auf meine Brust.
»Wie soll ich das verstehen?«, fragte ich kalt und schielte nach rechts. Zu meiner Bestürzung schlief Lahen. »Das Wasser aus deiner Flasche!«, stieß ich aus.
Sie hatten uns ausgetrickst.
»Hut ab!«, höhnte Gnuzz. »Bist du also auch schon dahintergekommen. Ich hatte ja nicht zu hoffen gewagt, dass dieser Trick klappt, aber ich bin nun mal ein Schoßkind des Glücks. Wenn die Hexe aufwacht …«
»Verschmurgelt sie dir das Hirn.«
»Das wohl nicht. Wir haben nämlich gehört, dass ihre Gabe flöten gegangen ist. Dein Weibsbild ist so harmlos wie eine Mücke.«
Damit war auch das Rätsel gelöst, wer sich da in den Himbeeren versteckt hatte.
»Und wenn sie das Zeug nicht getrunken hätte«, mischte sich Bamuth ein, »hätten wir ihr einfach eins über den Schädel gezogen.«
»Das wird Moltz aber gar nicht gefallen.« Warum war bloß Knuth nicht mehr da?
»Bei dem Geld pfeife ich auf Moltz und seine Gilde.«
»Dann verstehe ich nicht, warum du überhaupt noch mit mir sprichst.«
»Weil wir nicht die Absicht haben, euch hier im Wald abzumurksen. Sonst kommen uns eure teuren Köpfe womöglich noch auf dem Weg nach Alsgara abhanden. Und dann glaubt uns Dreifinger vielleicht nicht. Deshalb liefern wir Yokh die Ware lebend. Und in einem Stück. Sofern du keine Mätzchen machst, brauchst du also nicht mal mit Prügeln zu rechnen.«
»Ich bin schlicht und ergreifend entzückt«, sagte ich und ließ mich im Nu auf die rechte Seite fallen, wobei ich gleichzeitig mit der linken Hand das Beil schleuderte.
Ein lautes Klicken der Armbrust – und ein Bolzen schoss über meinen Kopf hinweg. Bamuth hatte nicht mit einem Angriff von meiner Seite gerechnet und mich deshalb verfehlt. Allerdings ist es auch kein Kinderspiel, dein Ziel zu treffen, wenn dir ein Beil in der Stirn steckt.
Damit wäre der Erste erledigt!
Gnuzz heulte auf, schnellte hoch und landete auf mir, ehe ich wieder auf den Beinen stand. Direkt auf meinem Rücken. Die Hand, in der er das Messer hielt, konnte ich nur in letzter Sekunde einen Zoll vor meinem Gesicht abfangen. Gnuzz presste sie mit aller Kraft nach unten, ich drückte sie nach oben. Mit der freien Hand griff ich nach seiner Visage, in der Hoffnung, ihm die Augen auszukratzen.
»Brauchst du vielleicht Hilfe?«, fragte Shen da gelangweilt.
»Was glaubst du denn!«, brüllte Gnuzz. »Ja, du Schwachkopf!«
Das Messer näherte sich meinem Gesicht auf einen halben Zoll – als der Kerl auf mir plötzlich erschlaffte. Shen stand mit blutigem Schwert neben uns. Als er meinen verwunderten Blick auffing, verzog er die Lippen zu einem unsicheren Grinsen. »Den konnte ich von Anfang an nicht leiden.«
Ich schob den Toten von mir und stand auf. »Und was hast du jetzt mit mir vor?«
»Nichts. Wir beide werden uns doch wohl einigen können. Ich hoffe sehr, dass wir Alsgara zusammen erreichen.«
»Und dann?«
Er sah mich lange an, bevor er die Klinge wegsteckte, und sagte: »Lass uns mal nachsehen, ob wir
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