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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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rief sie. Sie hatte eine dröhnende Stimme, die fast wie der Bariton eines Mannes klang. »Ich begrüße euch im Namen von Serenitas und der Frauen, die hier verweilen. Mögen eure Tage auf Erden lang sein.«
    Wir legten nun auch eine Faust an die Stirn und wünschten ihr die doppelte Zahl.
    »Kommt ihr aus Innerwelt? Offensichtlich, denn eure Kleidung ist für hierzulande nicht schmutzig genug. Aber das wird sich ändern, wenn ihr länger als einen Tag hier verweilt.« Sie lachte daraufhin. Ihr Lachen hörte sich wie fernes Donnergrollen an.
    »Ganz recht«, antwortete ich. Jamie würde nichts sagen, das stand fest. Er war schon von Natur aus schweigsam, aber jetzt war er vor Staunen gänzlich sprachlos. An der weiß gestrichenen Mauer hinter ihr ragte ihr Schatten so riesig auf wie Lord Perth höchstselbst.
    »Und ihr seid wegen dem Fellmann gekommen?«
    »Ja«, sagte ich. »Habt Ihr ihn gesehen – oder kennt Ihr ihn auch nur vom Hörensagen? Wenn Letzteres der Fall ist, sagen wir unseren Dank und …«
    »Kein Er , junger Freund. Das solltet Ihr auf keinen Fall denken.«
    Ich starrte sie nur an. Wie sie so vor mir stand, war sie beinahe groß genug, mir in die Augen zu sehen, obwohl ich auf Young Joe, einem großen Wallach, saß.
    »Ein Es«, sagte sie. »Ein Ungeheuer aus den Tiefen Spalten, so wahr ihr beide dem Eld und dem Weißen dient. Es mag einst ein Mensch gewesen sein, aber das war einmal. Ja, ich habe es gesehen – und auch seine Werke. Bleibt, wo ihr seid, rührt euch nicht vom Fleck, dann sollt ihr sein Werk ebenfalls sehen.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt sie durch das offene Tor davon. In ihrem weißen Musselingewand glich sie einer vor dem Wind segelnden Schaluppe. Ich sah zu Jamie hinüber. Er zuckte die Achseln, dann nickte er. Schließlich waren wir mit dem entsprechenden Auftrag hier, und wenn der Lokführer noch etwas länger auf die Arbeiter warten musste, die Klein-Puffpuff wieder aufs Gleis hoben, ließ sich das nicht ändern.
    » ELLEN! «, röhrte sie. Bei voller Lautstärke glaubte man eine Frau zu hören, die in ein elektrisches Megafon rief. » CLEMMIE! BRIANNA! BRINGT ESSEN! BRINGT FLEISCH UND BROT UND BIER – DAS HELLE, NICHT DAS DUNKLE! BRINGT EINEN TISCH … UND VERGESST DAS TISCHTUCH NICHT! SCHICKT MIR FORTUNA HER! HURTIG! SCHNELL, SCHNELL! «
    Nachdem sie diese Befehle erteilt hatte, kehrte sie zu uns zurück, wobei sie vorsichtig den Rocksaum hob, damit er nicht mit dem Alkali in Berührung kam, das in Wölkchen um die schwarzen Stiefel herum aufstieg, die sie an ihren riesigen Füßen trug.
    »Lady-Sai, wir danken Euch für die angebotene Gastfreundschaft, aber wir müssen wirklich …«
    »Ihr müsst essen, sonst nichts«, sagte sie. »Das wollen wir hier draußen tun, damit euer Appetit nicht leidet. Ich weiß sehr wohl, was für Geschichten man in Gilead über uns erzählt, aye, das wissen wir alle. Solchen Tratsch erzählen Männer nämlich über alle Frauen, die es wagen, selbständig zu leben. Das bringt sie dazu, am Wert ihrer Hämmer zu zweifeln.«
    »Wir haben keine Geschichten über …«
    Sie lachte, und ihr Busen wogte wie die See. »Sehr höflich von Euch, junger Revolvermann, aye, sehr gewieft, aber meine leichtgläubige Kinderzeit ist schon sehr lange her. Wir werden euch nicht fressen.« Ihre Augen, schwarz wie ihre Stiefel, blitzten. »Obwohl ihr Leckerbissen wärt, glaube ich – einer oder beide. Ich bin Everlynne von Serenitas. Die hiesige Priorin, dank der Gnade Gottes und dem Jesusmenschen.«
    »Roland von Gilead«, sagte ich. »Und das hier ist Jamie, ebenfalls von dort.«
    Jamie verbeugte sich im Sattel.
    Sie knickste abermals, wobei sie diesmal den Kopf senkte, sodass die Flügel ihrer Seidenhaube sich kurz wie Vorhänge vor ihrem Gesicht schlossen. Als sie sich wieder aufrichtete, kam eine winzige Frau durch das offene Tor geglitten. Vielleicht war sie auch nur durchschnittlich groß. Möglicherweise wirkte sie lediglich im Vergleich zu Everlynne winzig. Sie trug kein Musselingewand, sondern ein Schwesternhabit aus grobem, grauem Baumwollgewebe; die Arme hatte sie vor ihrem kaum vorhandenen Busen verschränkt, und die Hände steckten tief in den weiten Ärmeln. Obwohl sie keine Haube trug, konnten wir nur die eine Hälfte ihres Gesichts sehen. Die andere verdeckte ein dicker, weißer Mullverband. Sie knickste vor uns, dann verkroch sie sich im riesigen Schatten ihrer Priorin.
    »Heb den Kopf, Fortuna, und erweise diesen Gentlemen deinen

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