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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sehen. Er war kein Mensch, aber sie haben auf Uhr und Urkunde geschworen, er sei aufrecht wie einer gelaufen.«
    Jamie beugte sich über den Hals seines Pferdes und spuckte. »Kann nicht sein.«
    »Vannay sagt, dass es doch sein kann. Er sagt, dass es schon früher welche gegeben hat, allerdings seit Jahren keine mehr. Er glaubt, dass es sich dabei um eine Art Mutation handelt, die mit unverdorbenem Erbgut nicht mehr viel zu tun hat.«
    »Alle diese Zeugen haben unterschiedliche Tiere gesehen?«
    »Aye. Die Cowboys haben das Ungeheuer als Tyger beschrieben. Mit Streifen.«
    »Löwen und Tyger, die wie dressierte Zirkustiere rumlaufen. Und das hier draußen im Ödland. Bist du dir sicher, dass uns da nicht jemand auf den Arm nehmen will?«
    Ich war nicht alt genug, allzu viel sicher zu wissen, aber ich wusste, dass die Zeiten zu schwierig waren, als dass man junge Revolvermänner so weit nach Debaria schicken konnte, nur um ihnen einen Streich zu spielen. Nicht dass man Steven Deschain selbst unter besten Umständen hätte verdächtigen können, ein Spaßvogel zu sein.
    »Ich gebe nur weiter, was ich von Vannay gehört habe. Die Lassoschwinger, die mit den Überresten der beiden Manni auf einer Stangenschleife in die Stadt gekommen sind, hatten noch nie auch nur von einem Tyger gehört . Trotzdem haben sie ihn genau wie einen beschrieben. Ihre Aussage steht in diesem Bericht hier – mit grünen Augen und allem.« Ich zog zwei zusammengefaltete Blätter, die Vannay mir mitgegeben hatte, aus der Brusttasche. »Hier, lies selbst.«
    »Ich bin kein großer Leser«, wehrte Jamie ab. »Wie du genau weißt.«
    »Aye. Aber glaub mir, ihre Aussage klingt überzeugend. Sie entspricht genau dem Bild zu der alten Geschichte von dem Jungen, den der Stoßwind erfasst hat.«
    »Welche alte Geschichte?«
    »Die mit dem unerschrockenen Tim – ›Der Wind durchs Schlüsselloch‹. Egal. Das ist jetzt nicht wichtig. Schon klar, dass die Cowboys vielleicht betrunken waren, wie sie es in der Nähe einer Kleinstadt, in der es Alkohol gibt, meistens sind, aber wenn ihre Aussage stimmt, ist das Wesen nach Vannays Ansicht ein Gestalt wechsler, nicht nur ein Gestalt wandler .«
    Der Wind frischte auf und trieb Alkalistaub vor sich her. Die Pferde scheuten, und wir zogen unsere Halstücher über Mund und Nase hoch.
    »Beschissen heiß«, sagte Jamie. »Und dieser verdammte Staub.«
    Dann verstummte er, als merkte er, dass er ungewöhnlich geschwätzig gewesen war. Mir war das nur recht, weil ich über vieles nachdenken musste.
    Nach weniger als einer Stunde kamen wir über einen Hügelrücken und sahen unter uns die blendend weißen Gebäude einer Haci . Sie hatte die Größe eines mittleren Landguts in den Baronien. Hinter ihr zogen sich ein großer Gemüsegarten und etwas, was ein Weingarten zu sein schien, bis zu einem kleinen Bach hinunter. Bei diesem Anblick lief mir das Wasser im Mund zusammen. Als ich zuletzt Weintrauben gegessen hatte, waren meine Achselhöhlen noch samtig und unbehaart gewesen.
    Die Krone der Umfassungsmauer der Haci war mit gefährlich glitzernden Glassplittern besetzt, aber das Holztor stand wie einladend offen. Vor dem Tor saß auf einer Art Thron eine Frau in einer weißen Musselinrobe, zu der eine große Flügelhaube aus weißer Seide gehörte. Als wir näher herankamen, sahen wir, dass der Thron aus Eisenholz bestand. Bestimmt hätte kein anderer, nicht aus Metall bestehender Thron ihr Gewicht tragen können, denn sie war die größte Frau, die ich je gesehen hatte: eine Riesin, die man sich als Gefährtin des legendären Räuberfürsten David Quick vorstellen konnte.
    Auf ihrem Schoß hatte sie eine Häkelarbeit liegen. Vielleicht häkelte sie an einer Decke, aber vor ihrem mächtigen Körper mit den gewaltigen Brüsten, von denen jede einem Säugling hätte Schatten spenden können, sah sie nicht größer als ein Taschentuch aus. Als sie uns kommen sah, legte sie ihre Arbeit beiseite und stand auf. Sie war an die zwei Meter groß, vielleicht sogar größer. In der Senke hier wehte der Wind schwächer, aber er genügte, das Gewand um ihre langen Beine flattern zu lassen. Dabei entstand ein Geräusch wie von einem killenden Segel. Mir schoss durch den Kopf, wie der Lokführer Sie fressen die Männers gesagt hatte, aber als sie eine gewaltige Faust an die breite Stirn legte und mit der freien Hand nach ihrem Rock fasste, um höflich zu knicksen, hielt ich mein Pferd gleichwohl an.
    »Heil, Revolvermänner!«,

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