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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ist ganz schön was los«, sagte Jamie, als er sich aus dem Sattel schwang und zu den vierzig bis fünfzig Männern und Frauen hinübersah, die ihr Geschäft (oder Vergnügen) hatten stehen und liegen lassen, um uns anzugaffen.
    »Nach Sonnenuntergang ändert sich das«, sagte ich. »Dann gehen Kreaturen wie dieser Fellmann auf Raub aus. Wenigstens sagt das Vannay.«
    Wir betraten das kleine Dienstgebäude. Hugh Peavy hatte einen gewaltigen Wanst, langes, weißes Haar und einen über die Mundwinkel herabhängenden buschigen Schnauzbart. Sein Gesicht war von tiefen Sorgenfalten durchzogen. Er sah unsere Revolver und wirkte erleichtert. Er sah unsere bartlosen Gesichter und wirkte weniger erleichtert. Er wischte die Spitze der Feder ab, mit der er geschrieben hatte, stand auf und streckte uns die Hand hin. Dieser Bursche dachte nicht daran, die Faust an die Stirn zu führen.
    Nachdem wir uns vorgestellt und ihm die Hand geschüttelt hatten, sagte er: »Ich will euch nicht herabsetzen, junge Freunde, aber ich hatte gehofft, Steven Deschain würde vielleicht selbst kommen. Und vielleicht Peter McVries.«
    »McVries ist vor drei Jahren gestorben«, sagte ich.
    Peavy war sichtlich entsetzt. »Sagt Ihr das? Denn er war trig mit dem Revolver. Sehr trig.«
    »Er ist an einem Fieber gestorben.« Vermutlich durch Gift ausgelöst, aber das war nichts, was der Hohe Sheriff des Bezirks Debaria zu wissen brauchte. »Was Steven betrifft: Der ist anderweitig beschäftigt, deshalb schickt er mich. Ich bin sein Sohn.«
    »Yar, yar, ich kenne Euch dem Namen nach und habe von Euren Abenteuern in Mejis gelesen, denn auch hier draußen bekommen wir ab und zu Nachrichten. Wir haben den Dit-dah-Draht und sogar ein Klingeling.« Er deutete auf den seltsamen Apparat an der Ziegelwand. Ein Schild darunter warnte: BENUTZUNG FÜR UNBEFUHGTE VERBOHTEN! »Früher ist’s ganz bis nach Gilead gegangen, aber heute geht es nur bis Sallywood im Süden, zur Siedlung Jefferson im Norden und zu dem Bergwerksdorf Little Debaria am Fuß des Gebirges. Wir haben sogar einige Straßenlaternen, die noch brennen – nicht mit Gas oder Petroleum, sondern richtige Funkenlampen, wisst Ihr. Die Städter glauben, dass ihr Licht das Ungeheuer abschreckt.« Er seufzte. »Ich bin da weniger zuversichtlich. Es ist eine schlimme Sache, meine jungen Freunde. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Welt sich aus ihren Verankerungen gerissen hat.«
    »Das hat sie«, sagte ich. »Aber was locker geworden ist, lässt sich auch wieder festzurren, Sheriff.«
    »Wenn Ihr meint.« Peavy räusperte sich. »Fasst das nicht als Respektlosigkeit auf, ich weiß, dass Ihr seid, wer Ihr zu sein behauptet, aber mir ist ein Sigul versprochen worden. Wenn Ihr es dabeihabt, so hätte ich es gern, weil es mir viel bedeutet.«
    Ich machte meine Umhängetasche auf und holte hervor, was man mir mitgegeben hatte: ein kleines Holzkästchen mit dem Monogramm meines Vaters auf Scharnier und Verschluss – ein D mit einem eingeschriebenen S . Peavy nahm es mit einem schwachen Lächeln entgegen, das an seinen Mundwinkeln unter dem weißen Schnauzbart Grübchen entstehen ließ. Ich hielt dies für ein Lächeln der Erinnerung, weil es sein Gesicht schlagartig um Jahre verjüngte.
    »Wisst Ihr, was es enthält?«
    »Nein.« Ich war nicht aufgefordert worden, es mir anzusehen.
    Peavy öffnete das Kästchen, warf einen Blick hinein und sah dann wieder zu Jamie und mir herüber. »Vor vielen Jahren, als ich noch lediglich Hilfssheriff war, hat Steven Deschain mich, den damaligen Hohen Sheriff und einen sieben Mann starken Trupp gegen die Crow-Bande geführt. Hat Euer Vater Euch nie davon erzählt?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Zwar keine Fellmänner, das nicht, aber trotzdem keine leichte Aufgabe. Diese Kerle haben geraubt, was zu rauben war, nicht nur in Debaria, sondern im gesamten Ranchland hier draußen. Sie haben auch Züge überfallen, wenn sie erfahren haben, dass es sich lohnen könnte. Aber ihre Spezialität waren Entführungen, um dann Lösegeld zu erpressen. Ein feiges Verbrechen, gewiss – auch von Farson bevorzugt, wie ich höre –, aber offenbar sehr lohnend.
    Nur einen Tag nachdem sie Belinda Doolin, die Frau eines Ranchers, entführt hatten, ist Euer Da’ hier aufgekreuzt. Ihr Mann, den sie gefesselt zurückgelassen hatten, hat mit dem Klingeling angerufen, sobald er sich befreien konnte. Von seinem Klingeling wussten die Crows nichts – und das war ihr Verderben. Natürlich war es

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