Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
einfach wegzugehen, ohne ihm Bescheid zu sagen.
Als er in die Küche kam, fand er einen Zettel auf dem Tisch: Lieber Papa, mach dir keine Sorgen. Ich will zu Mama. Ich rufe dich an, wenn ich angekommen bin.
Sören fuhr der Schreck in die Glieder. Was war in Clara gefahren? Was hatte das zu bedeuten? Panisch ließ er den Zettel fallen und rannte aus dem Haus.
Clara streckte den Daumen aus, so wie sie das einmal in einem Film gesehen hatte. Der Wagen wurde nicht einmal langsamer, sondern fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit an ihr vorbei.
Mist, dachte sie und ging weiter die Straße entlang. Es war weit nach Stockholm. Mit dem Auto ging es ja meist sehr schnell, aber wie lange würde sie wohl zu Fuß brauchen, falls kein Wagen anhielt?
Clara drehte sich hoffnungsvoll um, als sie wieder Motorengeräusche vernahm. Aber dann machte ihr Herz einen heftigen Satz, als sie den Wagen ihres Vaters erkannte. Sofort trat sie einen Schritt zurück und versteckte sich hinter einem Baumstamm. Hatte er sie auch gesehen?
Das Motorengeräusch kam näher, ihr Herz schlug schneller. Als der Wagen vorbeifuhr, seufzte sie erleichtert auf und setzte ihren Weg fort. Lange musste sie nicht warten, bis sie den nächsten Wagen hörte. Sie drehte sich um, setzte ihr strahlendstes Lächeln auf und streckte den Daumen raus.
Lena musste alleine nach Hause fahren. Kristina hatte sie angerufen und ihr das kurz und knapp, ohne weitere Erklärung, mitgeteilt.
Kurz vor ihrer Abfahrt rief Mikael an. »Gehst du heute Abend mit mir essen?«, stellte er seine übliche Frage.
»Ja, gern«, erwiderte Lena und meinte es auch genau so. Heute Abend wollte sie auf keinen Fall alleine sein.
Mikael war so verblüfft über ihre Zusage, dass er sekundenlang sprachlos war. Dann lachte er. »Ich freue mich auf heute Abend.«
»Ich freue mich auch«, behauptete Lena, dabei war ihr das Herz schwer.
Als sie durch Söderholm fuhr, versuchte sie, ihre Gefühle so gut es ging auszuschalten, aber es gelang ihr mehr schlecht als recht. Nachdem sie die Stadt hinter sich gelassen hatte, gab sie Gas. Sie hatte das Verdeck heruntergelassen und hoffte, im Fahrtwind wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Nach zwei Kilometern glaubte sie ihren Augen nicht zu trauen. Das kleine Mädchen mit dem bunten Rucksack auf dem Rücken und dem ausgestreckten Daumen sah doch aus wie Clara?
Es war Clara, stellte sie fest, als sie näher kam. Lena hielt verwundert an.
Clara kam zögernd an den Wagen heran. »Fährst du zurück nach Stockholm?«, wollte sie wissen.
Lena nickte. Sie spürte instinktiv, dass es besser war, jetzt keine der vielen Fragen zu stellen, die in ihrem Kopf herumschwirrten.
»Nimmst du mich mit?«, bat Clara.
»Steig ein«, sagte Lena.
Lena wartete, bis Clara angeschnallt war. Dann startete sie den Motor und wendete den Wagen auf der Straße. Clara fuhr auf dem Beifahrersitz herum.
»Was soll das?«
»Was denkst du denn?«, gab Lena zurück. »Ich bringe dich nach Hause. Dein Vater macht sich bestimmt große Sorgen um dich.«
»Das glaube ich nicht.« Clara schüttelte den Kopf. »Ohne mich wäre er ein berühmter Forscher.« Lena war sofort klar, dass Clara ihr Gespräch mit Sören belauscht haben musste. Allerdings nur zum Teil, sonst hätte sie auch gehört, wie Sören beteuerte, dass er sich ein anderes Leben nicht mehr vorstellen konnte.
»Aber Clara«, seufzte Lena, »das will dein Vater doch gar nicht. Alles was er will, ist mit dir in Söderholm zu leben. Das hat er mir selbst gesagt. Kannst du das verstehen?«
Clara schaute sie von der Seite an. »Kannst du das denn verstehen?«
Lena zuckte zusammen. Sie wollte nicht darüber nachdenken, denn sie wusste ganz genau, welche Konsequenzen es hätte, wenn sie auch nur den Versuch machte, es zu verstehen. Sie zwang sich, ihre Konzentration auf die Straße zu lenken. Nein, sie wollte nicht darüber nachdenken, und sie wollte nicht zurück nach Söderholm, und noch weniger wollte sie Sören noch einmal sehen oder auch nur sprechen. Weil ihr das alles noch schwerer machte, als es ohnehin schon war. Andererseits war ihr klar, dass er vor Angst halb verrückt sein musste, wenn ihm Claras Verschwinden aufgefallen war. Also griff sie nach ihrem Handy und rief ihn an. Sie erreichte ihn im Wagen auf dem Weg nach Stockholm und hörte die Erleichterung in seiner Stimme, als sie ihm berichtete, dass Clara aufgetaucht war. Sie verabredeten sich vor der Schule.
Clara schaute sie an, als wäre sie eine
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