Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
sagen, und das wird er ihr nie verzeihen. Denn dann wüsste er, dass sie ihm über all die Jahre die Chance genommen hat, Vater zu sein, und er müsste darüber nachdenken, ob sie wirklich so wunderbar ist, wie er glaubt.«
Beide schwiegen eine Weile. Wehmut lag in der Luft. Malin schaute Sören von der Seite her an. Sein Gesicht wirkte traurig. Sie griff nach seiner Hand. »Was ist eigentlich mit dir und Lena?«
Sören zuckte mit den Schultern, schaute über den See. »Sie ist wie Kristina«, sagte er. »Sie kann mit dem Leben auf dem Land nichts anfangen. Sie braucht die Stadt, ihren aufregenden Job.«
Malin schüttelte den Kopf. »Ich kenne Lena kaum, und ich weiß nicht, was sie braucht. In einem bin ich mir aber ganz sicher: Sie ist nicht wie Kristina.«
Sören sah nachdenklich aus. »Das Gleiche gilt doch auch für mich: Warum kämpfe ich nicht um sie?« Er schwieg eine Weile, dann nickte er entschlossen und sagte: »Ich muss nach Stockholm. Ich muss es wenigstens noch einmal versuchen.« Er sah sie fragend an. »Kommst du mit?«
Malin lächelte schwach, schüttelte den Kopf. »Harald weiß, wo er mich findet.«
Harald schritt langsam durch das Zimmer. Die ganze Wohnung war in strahlendem Weiß gehalten. Kühl und elegant. Eine Wand schien ausschließlich aus Glas zu bestehen, dahinter waren ein wenig Grün und ganz viel Wasser zu sehen.
Jede Ecke, jedes noch so kleine Detail in diesem Raum strahlte Kristinas Präsenz aus. Sein Koffer, der halb ausgepackt auf dem Boden lag, wirkte wie ein Fremdkörper, und genau so fühlte er selbst sich auch.
Er wusste selbst nicht, was er tat, als er instinktiv nach dem Telefon griff und eine Nummer wählte.
»Malin Bengtsson«, vernahm er die Stimme seiner Frau. Er brachte kein Wort heraus. Was sollte er auch sagen?
»Harald?«, hörte er Malin plötzlich fragen. Hastig legte er den Hörer auf.
Kristina kam zu ihm ins Zimmer. Sie war strahlend schön in ihrem weißen Negligé. Sie schritt auf ihn zu und legte beide Arme um seinen Hals. »Einen wunderschönen guten Morgen, mein Liebster. Hast du gut geschlafen? Wie lange bist du denn schon auf?«
»Seit zwei Stunden«, erwiderte Harald und dachte daran, dass er zu Hause wahrscheinlich schon mit dem Boot draußen gewesen wäre, während Malin das Frühstück zubereitete. Er hatte Sören am vergangenen Abend eine Mail geschickt, dass er in den nächsten Tagen nicht in die Schule kommen würde. Sören sollte ihn in dieser Zeit vertreten.
Harald hatte nicht den Mut gehabt, seinem jungen Kollegen persönlich gegenüberzutreten. Seit Malin mit ihm gesprochen hatte, wusste der ja, was los war.
Schämte er sich? Harald lauschte dieser Frage nach. Er war doch so sicher gewesen, dass es richtig war, endlich seinem Gefühl zu folgen …
»Du hattest ja noch gar keinen Kaffee«, unterbrach Kristina seine Gedanken. »Ach, du Armer. Wenn ich mich angezogen habe, gehen wir frühstücken. Danach stelle ich dich in der Agentur vor. Mein Prinzgemahl.« Sie hauchte einen Kuss auf seine Nasenspitze und ging zu dem weißen Tresen, der eine Art Küchenzeile vom Rest des Raumes abteilte. Ein Traum aus weißem Chrom, futuristisch und kalt.
Kristina goss sich aus einer Karaffe ein Glas Orangensaft ein. »Am Wochenende gebe ich eine große Party«, plauderte sie weiter. »Ich habe schon mit einem Freund gesprochen, er stellt uns seine Jacht zur Verfügung.«
»Das klingt ja verlockend«, sagte Harald wenig begeistert. Kristina schien aufzufallen, dass etwas nicht stimmte. Sie trank einen Schluck und musterte ihn dabei prüfend. »Aber …?«, hakte sie nach.
Plötzlich sah Harald ganz klar. Dieses Leben, das Kristina führte, bedeutete ihm nichts. Er hatte einem Traum nachgehangen, der so gar nichts mit der Realität gemeinsam hatte. Kristina führte ein Leben, das nicht seines war und auch nie seines werden konnte. Es war auf gewisse Weise langweilig und vor allem oberflächlich. In dieser Umgebung, in diesem Umfeld verlor Kristina für ihn auch all das, was ihn in Söderholm zu ihr hingezogen hatte.
»Ich kann das alles nicht«, sagte er.
Kristina schaute ihn fassungslos an. »Das meinst du nicht im Ernst«, sagte sie. Sie hielt inne, ihr Gesichtsausdruck und ihre Stimmlage waren jetzt verändert. Sie lächelte, sprach werbend, als würde sie eine ihrer Kampagnen verkaufen. »Es wird Zeit, dass du mal etwas anderes siehst. Das Leben hat dir noch so viel zu bieten.«
Harald schüttelte den Kopf, lächelte entschuldigend. »Es war
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