Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
Gefühl, dass ihre Anwesenheit ihn unangenehm überraschte. Er konnte sie kaum ansehen.
»Ich dachte, du wolltest heute Morgen einkaufen«, sagte er betont interessiert.
Malin nahm ihre Kaffeetasse und setzte sich mit dem Rücken zu ihm an den Küchentisch.
»Ich gehe gleich«, sagte sie. »Ich fühle mich nicht so gut.«
»Vielleicht dieses Virus, das gerade umgeht«, sagte Harald. »Du solltest mal zum Arzt gehen.«
Malin umfasste ihre Kaffeetasse mit beiden Händen; sie hatte das dringende Bedürfnis, sich irgendwo festzuhalten, um die Kontrolle nicht zu verlieren. Als ob er nicht ganz genau wüsste, was ihr zu schaffen machte!
»Nein, das ist nicht nötig«, sagte sie. »Sören hat mir gestern etwas aus seinem Kräutergarten gegeben.« Sie spürte auch ohne sich umzudrehen, wie er zusammenzuckte. Kerzengerade saß sie auf ihrem Stuhl. Eine ganze Weile sagte er gar nichts.
»Du warst bei Sören?«, fragte er schließlich hilflos.
»Ich musste mit jemandem reden.« Sie spürte die Wärme des Kaffees durch die Tasse in ihren Händen und umklammerte sie noch ein wenig fester. »Sören ist ein guter Zuhörer.«
Wieder sagte Harald eine ganze Weile nichts, und dann kamen die Worte, vor denen sie sich gefürchtet hatte.
»Ich muss für ein paar Tage verreisen.«
Malin schluckte. War es das gewesen? Hatte sie ihn verloren? Sie war innerlich wie betäubt, fühlte in diesem Augenblick keinen Schmerz, keine Angst. Alles war so unwirklich, wie in eine Nebelwand gehüllt. Die Vergangenheit, die Gegenwart und vor allem die Zukunft. Sie drehte sich zu ihm um. Sie wollte sein Gesicht sehen, und er sollte ihr in die Augen sehen, wenn er ihre nächste Frage beantwortete. Eine Frage, die nur aus zwei Worten bestand: »Nach Stockholm?«
Harald konnte sie auch jetzt nicht ansehen. Er senkte den Kopf. »Es geht nicht anders«, sagte er lahm.
Komisch, die Welt stürzte nicht ein, und es zerriss sie auch nicht innerlich. Die ganze Zeit hatte sie versucht, sich vorzustellen, wie es sein würde, wenn es so weit war, jetzt wusste sie es. Die Betäubung in ihr blieb, und dafür war sie fast schon dankbar. Sie war nicht bereit, noch mehr Schmerz an sich heranzulassen. Sie stand auf und ging hinaus. Sie spürte, dass Harald ihr nachsah, er hielt sie aber nicht zurück.
Malin hielt es im Haus nicht mehr aus. Sie musste raus, frische Luft atmen, andere Menschen sehen. Ziellos schlug sie den Weg nach Söderholm ein. Wo ihr ausgerechnet Kristina über den Weg lief. Kristina sprach in ihr Handy, sie hatte sie noch nicht gesehen. Sie wirkte nach außen ruhig, aber ihre Stimme klang hart und unbeugsam. »Herrgott, Mikael«, hörte Malin sie sagen. »Ich erwarte, dass du mir die nächsten drei Wochen zur Verfügung stehst. Danach kannst du von mir aus nach Guatemala.«
Typisch Kristina, dachte Malin und spürte plötzlich kalte Wut in sich aufsteigen. Kristina bestimmte, und alle anderen hatten zu folgen. Sie nahm sich, was sie haben wollte, ohne Rücksicht auf andere. Wie ein verwöhntes Kind, dem die Konsequenzen seines Handelns völlig egal waren.
Als Malin sah, dass Kristina das Gespräch beendete, trat sie ihr in den Weg.
Kristina blieb stehen, sekundenlang lag Unsicherheit in ihren Augen. »Malin! Schön, dich zu sehen«, sagte sie schließlich lahm und wich dabei ihren Blicken ebenso aus wie zuvor Harald.
»Ja«, sagte Malin mit einem feinen Lächeln. »Wir haben uns viel zu wenig gesehen. Du wolltest mir doch so viel erzählen.«
Kristina setzte sich wieder in Bewegung. Sie ging schnell. Fast so, als wolle sie vor Malin fliehen, doch die blieb hartnäckig an ihrer Seite.
»Ach, da gibt es nicht viel zu erzählen«, sagte Kristina leichthin. »Mein Leben besteht zu fünfundneunzig Prozent aus Arbeit.«
»Und was ist mit den restlichen fünf Prozent?«, wollte Malin wissen. »Gehören die deinem Sohn?«
»Mikael führt längst sein eigenes Leben«, erwiderte Kristina kurz angebunden.
Malin spürte, dass Kristina sie loswerden wollte, und nach allem, was sie in den letzten Tagen durchgemacht hatte, erfüllte sie das mit ein wenig Genugtuung. Wahrscheinlich wartete Kristina nur darauf, dass sie sie direkt auf Harald ansprach, aber den Gefallen wollte Malin ihr nicht tun. Sollte sie in dieser Unsicherheit schmoren.
»Mir scheint, du hast das ganz gut mit deinem Sohn hingekriegt.«
»Danke. Es war auch nicht immer einfach«, erwiderte Kristina.
»Hat sich sein Vater nicht um ihn gekümmert?«, ließ Malin nicht
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