Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
locker.
Kristina beschleunigte ihren Schritt noch mehr. »Ich habe ihn nicht gebraucht«, warf sie ihr knapp zu.
»Du nicht.« Malin lächelte anzüglich. »Du hast wirklich niemanden gebraucht. Aber was ist mit deinem Sohn und dem Vater deines Sohnes? Hätten sie nicht ein Recht gehabt …«
Kristina fuhr zu ihr herum. »Tut mir leid, Malin, das geht nur mich etwas an. Ich habe mich für dieses Leben entschieden, und nur ich habe die Verantwortung dafür.«
»Das klingt, als ginge es immer nur um dich.« Auch Malin ließ jetzt die Maske der Freundlichkeit fallen. »Aber du hast auch eine Verantwortung für die Menschen um dich herum.«
Kristina warf den Kopf in den Nacken. »Die Menschen um mich herum sind erwachsen. Sie können mit mir gehen, oder sie können es lassen. Ich zwinge niemanden.«
»Ja.« Malin nickte. »Da kann man nur hoffen, dass sie begreifen, was wichtig und richtig ist.«
»Ich sag dir jetzt mal was, Malin«, erklärte Kristina von oben herab. »Wenn etwas wirklich richtig ist im Leben, dann wird man das begreifen.«
Malin maß sie mit einem langen Blick. »Dann sage ich dir jetzt mal etwas: Ich weiß, dass mein Leben richtig war. Und wie ist das bei dir?«
Kristina öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne einen Ton hervorzubringen. Sie hatte offensichtlich keine Antwort.
Malin spürte, dass sie den Sieg davongetragen hatte, und das erfüllte sie mit Genugtuung. Gleichzeitig tat Kristina ihr leid; wie schwer musste es sein, ein ganzes Leben infrage zu stellen? Aber das war jetzt nicht mehr ihr Problem. Und Kristina würde eine Lösung finden, im Zweifel waren eben die anderen schuld.
Malin bedachte Kristina mit einem langen Blick, dann drehte sie sich ohne ein weiteres Wort um und ging.
Clara hatte ihre Mutter schon einige Male in New York besucht. Ihr Vater hatte sie dann immer nach Stockholm, zum Flughafen Arlanda, gebracht und war dort bei ihr geblieben, bis eine nette Stewardess sie ins Flugzeug brachte. In New York wartete dann am Ankunftsgate immer schon ihre Mutter auf sie.
So schwer war es also nicht, alleine zu fliegen. Sie musste ein Ticket kaufen, das wusste sie. Aber was das kostete, davon hatte Clara keine Ahnung. Zum Glück hatte sie Geld zum Geburtstag bekommen und ein bisschen auch noch in ihrer Spardose. Eine Menge Geld, wie Clara fand. Das würde doch bestimmt für einen Flug reichen. Selbst nach Amerika. Allerdings musste sie erst einmal nach Arlanda zum Flughafen kommen.
Clara überlegte hin und her, während sie ihren Rucksack packte. Wenn sie jetzt mit dem Bus nach Stockholm fuhr, reichte das Geld womöglich nicht mehr für das Flugticket. Am besten ging sie zu Fuß und hoffte darauf, dass ein freundlicher Autofahrer sie ein Stück mitnahm.
In welche Gefahr sie sich damit möglicherweise begab, darüber dachte sie nicht nach. Klar, ihr Vater hatte sie vor dem Fahren als Anhalter gewarnt, hatte ihr immer wieder eingebläut, ihn anzurufen, er würde sie überall abholen, egal wo und egal um welche Uhrzeit. Aber so gefährlich konnte es doch nicht sein, schließlich machten das alle Jugendlichen in Söderholm, vor allem am Wochenende, das hatte Clara oft genug gesehen. Außerdem konnte ihrem Vater das doch egal sein. Hauptsache, sie war weg, dann konnte er seiner Karriere ungehindert nachgehen. Sie wollte ihm nicht mehr im Weg stehen. Ja, sie war sich immer sicher gewesen, dass er sie liebte, aber wer weiß, vielleicht wäre er ohne sie glücklicher gewesen? Das konnte er ja jetzt ausprobieren. Sie hinterließ ihm eine kurze Notiz, damit er sich keine Sorgen machte, wenn er sie nicht zuhause vorfand.
Clara sah sich wehmütig um, bevor sie das Haus verließ. Es war ihr Zuhause gewesen, und sie hatte es geliebt. Es machte sie traurig, dass sie nie mehr hierher zurückkommen würde.
Als sie den Weg hinunterrannte, wäre sie um ein Haar ihrem Vater in die Arme gelaufen, der auf dem Weg nachhause war. Sie sah ihn gerade noch rechtzeitig und versteckte sich hinter den Büschen eines Vorgartens. Mit brennenden Augen schaute sie ihm nach, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war, und lief dann schnell davon.
Als Sören ins Haus kam, war es ungewöhnlich still. »Clara!«, rief er und lauschte. Aber seine Tochter antwortete nicht.
Sören sah in Claras Zimmer nach, aber da war sie auch nicht. Irritiert bemerkte er, dass das Zimmer ungewöhnlich aufgeräumt wirkte. Es war so gar nicht Claras Art, ohne Aufforderung ihr Zimmer aufzuräumen. Geschweige denn,
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