Windbruch
Was für Geld?“, fragte
Maarten vorsichtig.
„Tja, eben das würde ich Ihnen
gerne bei einem Glas Wein erläutern.“
„Sie machen’s ja spannend!“
„Ja, Geld ist ja auch spannend,
nicht wahr, Herr Dr. Sieverts?“
„Da haben Sie wohl recht. Na gut,
wo treffen wir uns?“
„Ach, machen Sie sich keine
Umstände. Ich würde einfach auf dem Heimweg bei Ihnen zuhause vorbeikommen.“ Er
warf einen Blick aus dem Fenster. Immer noch fielen dichte Schneeflocken vom
Himmel. „Draußen ist ja auch nach wie vor ein so scheußliches Wetter, da müssen
Sie nicht extra noch vor die Tür.“
„Ist in Ordnung. Ich erwarte Sie
dann gegen 20 Uhr bei mir.“
„Ich bin pünktlich“, sagte Rhein
und ließ den Hörer mit einem lauten Seufzer auf die Gabel fallen.
„Bingo!“, rief er und klatschte
geräuschvoll in die Hände, „wusste ich’s doch, dass dieser Sauhund käuflich
ist!“ Jeder war käuflich, davon war Rhein seit jeher überzeugt. Der tat nur
immer so sauber, dieser Sieverts, aber wenn die Scheine groß genug waren, dann verkaufte
selbst er seine Großmutter. Ach, auf das Schlechte im Menschen war einfach Verlass,
insbesondere auf seine Gier! Rhein sah auf die teure Standuhr, die er erst
kürzlich auf einem Antikmarkt erworben hatte. Hm. Wenn er seinen nächsten
Termin absagen würde, dann könnte er es sich noch ein wenig gemütlich machen.
Nur schade, dass dieses kleine, scharfe Luder von vorhin schon gegangen war. Ob
er versuchen sollte, sie zurückzuholen? Ach was, sagte er sich dann, für die
bräuchte er ein wenig länger Zeit, bestimmt war sie unersättlich.
Um Punkt 20 Uhr läutete Hayo
Rhein an der Wohnungstür von Maarten Sieverts. Lange Sekunden passierte gar
nichts, aus der Wohnung war kein Geräusch zu hören. Er hatte ihn doch wohl
nicht versetzt!? Rhein spürte, wie eine unbändige Wut in ihm aufstieg.
Schließlich war es schon schlimm genug, dass er sich mit diesem Kerl auseinandersetzen
musste, und nun ließ er ihn auch noch hier in der klirrenden Kälte im Hausflur
stehen. Dass diese Vermieter aber auch nie richtig heizen konnten! Er drückte
nochmals heftig und ausdauernd auf den Klingelknopf, und jetzt endlich tat sich
da drinnen was. Sekunden später öffnete sich die Tür, und Maarten Sieverts
hielt ihm die Hand zur Begrüßung hin. „Und, wo haben Sie den Koffer mit dem
vielen Geld?“, fragte er und sah Rhein verschmitzt grinsend an.
„Ha“, rief Rhein und lachte laut
auf, „Sie sind mir ja einer, Herr Dr. Sieverts. Kann Ihnen ja gar nicht schnell
genug gehen, nicht wahr?“
„So ist es, Herr Rhein. Denn wie
Sie ja wissen, ist jeder Geldschein schon morgen weniger wert als heute.“
Maarten nahm ihm seinen Mantel ab und hängte ihn an die Garderobe.
„Ja, ja, die liebe Inflation.
Aber Gott sei Dank gibt es ja die guten alten Finanzmärkte, die für unsereinen
noch ganz annehmbare Renditen versprechen. Da kann uns die Inflation noch nicht
allzu viel anhaben.“
Maarten führte seinen Gast ins
Wohnzimmer und bedeutete ihm, in einem der Sessel Platz zu nehmen. „Lust auf
ein Glas Wein?“, fragte er.
„Ja, einen roten, wenn Sie
haben.“
„Sicher.“ Maarten verschwand in
der Küche, entkorkte eine Flasche Merlot, die er für besondere Anlässe
zurückgelegt hatte, und nahm dann Flasche und zwei Weinkelche mit ins
Wohnzimmer zurück. Gluckernd schenkte er den Wein in die bauchigen Gläser.
Gleich darauf hob er sein Glas und prostete Rhein zu. „Auf eine bessere
Zukunft!“, sagte er.
„Ha, da können Sie sicher sein!“,
rief Rhein und streckte ihm ebenfalls sein Glas entgegen, „ab heute wird alles
anders. Für Sie und auch für mich.“ Wenn der wüsste, dieser Idiot, fügte er in
Gedanken hinzu, ließ seinen eigenen Henker zur Tür herein und bewirtete ihn
auch noch mit einem teuren Wein. Er sah auf die Flasche. Hm. Solch einen erlesenen
Geschmack hätte er diesem Banausen, der von nichts eine Ahnung hatte und hier
naiv seinem Tod in die Augen sah, gar nicht zugetraut. „Exzellenter Tropfen“,
sagte er, „aber ich würde sagen, wir kommen jetzt erstmal zum Geschäftlichen,
bevor wie die Flasche leeren. Sonst können wir nachher gar nicht mehr klar
denken, was sehr schade wäre, haha.“
„In der Tat“, grinste Maarten,
„das wäre wirklich bedauerlich. Also, Herr Rhein, was haben Sie mir
anzubieten?“
„Nun, Sie können sich ja
sicherlich schon denken, worum es geht, Herr Dr. Sieverts“, sagte Rhein, und
seine Stimme klang plötzlich deutlich
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