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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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auszubilden. Damals waren Sie erst fünf oder sechs Jahre alt. Nun ist die Ausbildung abgeschlossen, und der Kaiser gestattet mir in seiner Großmut, seinen liebsten Admiral – und neuen Botschafter – ein letztes Mal zu beschützen.«
    »Dann waren Sie es, der den Mann in meinem Garten erschossen hat?«
    Ott kräuselte die Lippen und schüttelte bedauernd den Kopf. »Nur einer der Männer, die mir unterstellt sind. Er hätte den Eindringling am Leben lassen sollen, um ihn verhören zu können. Aber der Mann fürchtete um Ihre Sicherheit.«
    Wieso denn?, überlegte Tascha, Jorl und Suzyt hatten den zerlumpten Fremden doch bereits gestellt. Doch ehe sie die Frage anbringen konnte, bemerkte sie, wie Ott nach beiden Seiten den Gang entlangschaute. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie allein waren, griff er in die Tasche und zog …
    »Mein Halsband!«, rief Tascha. »Hauptmann! Wie in aller Welt sind Sie denn daran gekommen?«
    »Ich mag alt sein, mein Fräulein, aber ich bin immer noch schnell.« Ott schob grinsend seinen Ärmel zurück: über seinen Unterarm zog sich ein tiefer, blutiger Kratzer. »Diese Sniraga ist eine Höllenkatze, aber ich habe sie am Schwanz erwischt und sie versohlt, bis sie heulte und dieses hübsche Stück freigab, das ich schon am Hals Ihrer Mutter gesehen hatte. Darf ich es Ihnen wieder umlegen?«
    Tascha drehte sich um und hielt ihr Haar hoch. »Ich lasse es nie wieder aus den Augen«, versprach sie, als Ott die Schnalle festdrückte. »Oh Hauptmann, ich danke Ihnen! Papa sagte, Sie wären ein hervorragender Soldat, aber ich hatte ja keine Ahnung von Ihren wahren Fähigkeiten.«
    »Sie schmeicheln mir, mein Fräulein. Aber noch lieber wäre mir, Sie würden mir vertrauen. Um Ihres Vaters willen, sagen Sie mir, was Sie an Lady Syrarys beunruhigt. Halten Sie nichts zurück, ich flehe Sie an.«
    Und Tascha schüttete ihm ihr Herz aus. Doch schon nach wenigen Worten erkannte sie, wie wenig Greifbares sie zu bieten hatte. Syrarys hatte so getan, als liebe sie die kleine Tascha, sie aber aus dem Haus gedrängt, sobald sie selbst festen Fuß gefasst hatte. Sie hatte so getan, als vermisse sie Tascha, als sie im Lorg verschwand, sie hatte so getan, als mache sie sich Sorgen um die Gesundheit ihres Vaters (aber warum war dann nie ein anderer Arzt als Chadfallow zugezogen worden?), und sie hatte so getan, als wünsche sie sich nicht mehr im Leben als einen Platz an seiner Seite.
    »Aber das ist nicht wahr. Sie will viel mehr. Und jetzt tut sie jeden Abend nach dem Essen so, als ginge sie ins Damenbadezimmer, aber auch das stimmt nicht. Sie geht woanders hin.«
    »Auch heute Abend?«, fragte Ott.
    »Heute Abend war sie dort«, gab Tascha widerwillig zu.
    »Aha«, sagte Ott.
    »Sie halten mich für töricht.«
    Ott schüttelte den Kopf. »Ganz im Gegenteil, ich bin beeindruckt von Ihrem Scharfblick.«
    »Machen Sie sich nicht über mich lustig«, flehte sie. »Hauptmann Nagan, das ist nicht das Geschwätz einer eifersüchtigen Tochter. Versprechen Sie mir, dass Sie mich ernst nehmen.«
    Sandor Ott griff nach ihrer Hand. »Ich diene dem Ametrin-Thron seit achtundvierzig Jahren«, sagte er. »Ich war gerade so alt wie Sie, als ich zu Füßen des Großvaters unseres Erhabenen den Eid leistete. Mit Leib und Seele, mit Fleisch und Blut zu kämpfen, bis das Schwert meiner Hand entfällt und meine Seele den Körper verlässt. Für Arqual, seinen Ruhm und sein Wohl. Glauben Sie mir, Lady Tascha: Ich nehme nichts ernster.«

23
     
    D AS W UNDER DER T RÄNEN
     
     
    5. Modoli 941
    53. Tag von Etherhorde
     
    Ein grauer Morgen dämmerte herauf, und wenig später begann es zu regnen. Über Kap Ultu hingen dicke schwarze Wolken; Frix der Knallfrosch beobachtete sie nervös durch ein Fernrohr. Gleich hinter dem Kap lag Uturphe, aber Mr. Elkstem ging kein Risiko ein, sondern steuerte in weitem Bogen um die felsige Spitze herum. Hundert Matrosen stöhnten unter seinen Kommandos, aber niemand verwünschte ihn. Elkstems Riecher für Gefahren war legendär.
    Kaum hatten sie das Kap umfahren, wurde der Regen stärker. Die Luken wurden verschalkt; Teerjungen fegten eilends das Regenwasser vom Deck. Als Uturphe auftauchte, war der Anblick alles andere als herzerwärmend. Hinter den Mauern aus grünem Granit stachen Eisentürme und spitze Dächer wie scharfe Zähne in den Himmel. Vom Fenster seiner Kabine aus musterte Eberzam Isiq die kalte, befestigte Stadt und dachte: Hier braucht man nicht nach einem Arzt zu

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