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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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ragten schiefe Masten wie alte Grabsteine in den Himmel.
    Doch nicht alle Schiffe waren tot. Ein breiter, plumper Zweimaster, der nahe der Küste Anker geworfen hatte, war noch sehr lebendig. An Deck waren Männer an der Arbeit – Volpek, der Größe nach zu urteilen. Und etwa vier Meilen weiter draußen schaukelte ein sehr viel größeres Schiff in den Wellen, eine mächtige Brigg, die mit ihren zwei Geschützreihen prahlte.
    Zwischen den beiden, im Zentrum der dunklen Wasserfläche, hatte sich ein besonders seltsamer Kahn postiert. Er erinnerte fast an eine Flussbarkasse: flach, rechteckig, ohne Geschütze und Takelwerk. Viele Männer drängten sich an Deck, und er war von kleineren Booten umringt.
    An einem Ende stand ein großer Lastkran. Und daran hing an einer Kette direkt über der Hauptluke eine riesige Messingkugel, die in der Mittagssonne grell leuchtete. Die Kugel hatte einen Durchmesser von zwölf bis vierzehn Fuß und war offenbar unglaublich schwer. Um ihre Mitte zog sich eine Reihe von bullaugenähnlichen Fenstern.
    Doch damit nicht genug des Spektakels. Am anderen Ende der Barkasse, dem Kran gegenüber, erhob sich ein derbes Eisengerüst. An dem kleinen Turm waren zwei Taue befestigt, die straff gespannt über die Wellen zum Großmast des Zweimastfrachters und weiter über die schäumende Brandung zu einem hohen Felsvorsprung am Strand führten, wo sie in einem flaschenzugähnlichen Mechanismus verschwanden. Am Fuß des Felsens wimmelte es von Fuhrwerken, Zelten und Pferden. Auf seiner Spitze standen zwei Männer mit Fernrohren und hielten Wache.
    Durch die jungen Leute ging ein Flüstern. Eine Bathysphäre. So nannte man solche Messingkugeln; jemand hatte schon einmal davon gehört. Doch wozu das Ding gut war, wusste niemand.
    Tascha lag reglos im Strandhafer auf dem Kamm einer Düne und beobachtete, wie die Volpek ihre Gefangenen an den Strand führten. Sie zitterte vor hilfloser Wut. Die Flucht aus dem Wagen war ganz einfach gewesen, viel einfacher, als im Dunkeln hinterherzulaufen. Die Moornebel hatten sich zu Gespenstern verdichtet, die nach ihr greifen und sie von der Straße ziehen wollten. Sie hatte sich mit bloßen Händen und einem Lied aus dem Lorg-Pensionat dagegen gewehrt. (›Sonne scheint in meinem Herzen, meine Seele ist der Baum. Ewig werd’ ich für ihn tanzen, Furcht hat in mir keinen Raum!‹) Wenn sie geradewegs auf die Gespenster zuging, zerstoben sie wie Rauch. Aber sie kehrten immer wieder zurück, und ihre Berührung war von so tödlicher Kälte, dass der Schweiß in ihrem Haar zu Eisperlen gefror. Tascha wusste, dass sie ihnen nicht eine ganze Nacht lang würde standhalten können.
    Auch mit fünfzig Volpek und einem Zauberer konnte sie es nicht aufnehmen. Und jetzt überquerten die Teerjungen den freien Strand. Wenn Tascha ihnen folgte, würde man sie sofort entdecken.
    Im Lager an der Küste sah sie noch mehr Krieger. Und weit und breit niemanden, an den sie sich um Hilfe wenden könnte. Nach allen Richtungen das gleiche Bild: Dünen, Moor, Felsen, zerstörte Schiffe. Sie waren mitten in der Wildnis gelandet, und sie wusste immer noch nicht, warum.
    Sie ließ sich an der Rückseite der Düne hinabgleiten. Jedes Mal, wenn Pazel in ihre Nähe kam, widerfuhr ihm etwas Schreckliches. Zur Hölle mit diesen Teerjungen! Ich bin doch eigens weggelaufen, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert.
    Während sie so dalag und mit ihrem Schicksal haderte, bemerkte sie aus dem Augenwinkel eine kleine Bewegung. Sie schaute nach links – und erstarrte. Männer überquerten die Dünen. Sie gingen tief geduckt einzeln hintereinander und waren nur für einen Moment durch eine Lücke zwischen zwei höheren Dünen zu sehen. Sie trugen enge schwarze Beinlinge und kurze schwarze Tabitet -Umhänge und hatten sich lange Schwerter auf den Rücken geschnallt. Tascha stockte der Atem. Sie hatte solche Männer noch nie gesehen – und doch schon hundertmal. Es waren die Soldaten auf den unzähligen ›Siegesgemälden‹ in den Häusern der Heerführer in Etherhorde. Die toten Soldaten: Mzithrini.
    In Sekundenschnelle waren sie an ihr vorbei. Tascha stürzte blindlings eine Düne hinauf, um sie vielleicht noch einmal sehen zu können – doch als sie oben ankam, bemerkte sie nur ein paar geknickte Haferhalme und ein paar Kuhlen im Sand. Sie sprang auf der anderen Seite wieder hinunter und erkletterte die nächste Düne. Da waren sie. Unterhalb von ihr lagen fünf Männer flach auf dem

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