Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
Vom Netzwerk:
verängstigte Gefangene. Gemeinsam mit Neeps bemühte er sich, ihr Vertrauen zu gewinnen. Sie fragten die jungen Leute nach ihren Namen, woher sie kämen, ob auch sie von den Flikkern entführt worden seien. Doch fast eine Stunde lang antwortete niemand.
    Endlich fragte ein Mädchen mit großen runden Augen: »Seid ihr Gespenster?«
    Pazel begriff. Sie waren hier immerhin an der Geisterküste, und er und Neeps waren wie aus dem Nichts aufgetaucht. »Gespenster? Natürlich nicht«, sagte er. »Ich bin Ormalier, um Rins willen! Arun – äh, dieser Mann, wie nennt ihr ihn?«
    »Den ›Kunden‹«, sagte ein kleiner, schüchterner Junge.
    »Den Teufel«, sagte das Mädchen.
    »Nun, der Mann, der uns den Flikkern abgekauft hat, arbeitet auch für ihn«, sagte Pazel. »Wir sind ihm entwischt. Wenn er uns jemals einholt, stecken wir noch tiefer in der Patsche.«
    Mit der Zeit mussten die anderen Gefangenen Pazel und Neeps doch als Menschen anerkennen. Nun begannen sie alle gleichzeitig zu flüstern. Die jungen Leute kamen aus Ormael und Étrej, und fast die Hälfte, einschließlich aller Mädchen, stammten aus einer fernen tholjassanischen Stadt, die für ihre Schwammtaucher berühmt war.
    »Aber Schiffswracks sind etwas anderes«, sagten sie. »Was verstehen wir schon vom Wracktauchen? Und noch dazu an der Geisterküste.«
    Pazel beugte sich vor und flüsterte: »Wonach suchen wir denn?«
    Zwanzig Stimmen antworteten im Chor: »Nach dem Roten Wolf!«
    So viel hatte ihnen Arunis bereits gesagt. Auf der Lythra fänden sich viele Schätze, die er nicht verschmähen würde. Aber nichts sei ihm so wichtig wie eine rote Eisenstatue, die einen Wolf mit erhobener linker Vorderpfote darstellte. Nach diesem Gegenstand sollten sie vor allem suchen. Solange er nicht gefunden würde, käme niemand mehr nach Hause zurück.
    Pazel und Neeps, darüber waren sich alle einig, seien töricht gewesen, sich wegen ein paar Stück verwurmten Schiffszwiebacks erwischen zu lassen.
    »Wir waren nicht hinter dem Zwieback her«, sagte Neeps. »Aber ein Dummkopf bin ich trotzdem. Ket hat diesen Hund in Tressek Tarn einem Kerl abgekauft. Ich habe gesehen, wie er ihn mit an Bord brachte. Wie konnte ich das nur vergessen?«
    »Was meint er mit ›noch nicht erwacht‹?«, fragte das Mädchen. »Kann ein Zauberer ein Tier so einfach aufwecken?«
    »Nein«, sagte Pazel entschieden. »Meine Mutter hat mir von erwachten Tieren erzählt. Sie sagte, sie seien ein großes Rätsel. Niemand könnte ein Erwachen erzwingen, und niemand wüsste, warum die Zahl der erwachten Tiere ständig ansteige.«
    »Und meine Mutter hat mir von Enten mit vier Beinen erzählt«, warf jemand ein.
    »Sei still!«, knurrte Neeps. »Mein Kumpel ist der Sohn einer mächtigen Hexe. Wenn sie sagt, es ist nicht möglich, dann ist es auch so, und dann kann nicht einmal ein Magier, der von den Toten …«
    »Neeps!«, zischte Pazel und packte ihn am Arm. Die anderen waren schon verängstigt genug.
    Es wurde still. Das Mädchen richtete seine unergründlichen Augen auf Pazel.
    »Nur schade, dass deine Mutter nicht hier ist«, sagte sie.
     
    *     *     *
     
    Der Zug fuhr die ganze Nacht hindurch weiter. Noch mehrmals lagen umgestürzte Bäume quer über der Straße, was die Volpek veranlasste zu murren und besorgte Blicke ins Moor zu werfen. Pazel war von den unheimlichen Lichtern geblendet und konnte kaum etwas erkennen, aber seltsame Schreie von Vögeln und anderen Tieren hallten aus den Tiefen der Sümpfe. Die Pferde erschraken immer wieder, scheuten und tänzelten nervös. Er fragte sich, wo die Ixchel geblieben sein mochten.
    An Schlaf war kaum zu denken, denn man konnte sich nirgends hinlegen, wo nicht schon jemand lag. Dennoch musste Pazel irgendwann eingenickt sein, und diesmal träumte er, dass er sich nach einem unglaublich heftigen Sturm aus dem Meer auf einen schwarzen Sandstrand rettete. Er kam fast um vor Durst. Neben ihm kroch Tascha über den Strand, sie war halb tot. In einiger Entfernung wateten riesige Kolosse, die an behaarte Elefanten erinnerten, friedlich auf sie zu, ohne auf die Brecher zu achten, die gegen ihre Flanken krachten, und er fragte sich, ob ihnen die Tiere, wenn sie nahe genug wären, wohl Hilfe anbieten oder sie einfach in den Sand treten würden …
    Der Wagen kam mit einem Ruck zum Stehen. Pazel schlug die Augen auf. Ein fahler Morgen dämmerte herauf, und er hörte tatsächlich Wellenrauschen. Die Bäume waren zu Büschen geschrumpft, die

Weitere Kostenlose Bücher