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Winesburg, Ohio (German Edition)

Winesburg, Ohio (German Edition)

Titel: Winesburg, Ohio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherwood Anderson
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künftigen Generationen. Louise ist die Tochter eines reichen Mannes, doch sie schämt sich nicht zu lernen. Im Lichte dessen, was sie tut, solltet ihr euch schämen.»
    Der Händler nahm seinen Hut von einem Haken an der Tür und schickte sich an, auszugehen. An der Tür blieb er stehen und blickte sich finster um. Sein Gebaren war so hitzig, dass Louise sich fürchtete und nach oben auf ihr Zimmer lief. Die Töchter sprachen nun über ihre eigenen Dinge. «Passt jetzt gut auf», brüllte der Händler. «Euer Geist ist träge. Eure Gleichgültigkeit der Bildung gegenüber greift euren Charakter an. Aus euch wird nichts. Nun hört, was ich euch sage – Louise wird euch so weit voraus sein, dass ihr sie nie einholen werdet.»
    Zornbebend verließ der aufgebrachte Mann das Haus und trat auf die Straße. Vor sich hin murmelnd und fluchend ging er des Weges, doch als er die Main Street erreicht hatte, war seine Wut verflogen. Er blieb stehen, um sich mit einem anderen Händler oder einem Farmer, der in die Stadt gekommen war, übers Wetter oder die Ernte zu unterhalten, und vergaß seine Töchter
dabei vollkommen oder zuckte, wenn er an sie dachte, nur die Achseln. «Ach ja, Mädchen sind eben Mädchen», murmelte er philosophisch.
    Im Haus wollten sie, wenn Louise ins Zimmer herunterkam, wo die beiden Mädchen saßen, nichts mit ihr zu tun haben. Eines Abends, da war sie schon über sechs Wochen dort und wegen der anhaltenden Kälte, mit der sie stets begrüßt wurde, todunglücklich, brach sie in Tränen aus. «Hör auf mit deinem Geheule und geh wieder auf dein Zimmer zu deinen Büchern», sagte Mary Hardy schroff.
     
    Das von Louise bewohnte Zimmer lag im ersten Stock des Hardy’schen Hauses, und ihr Fenster ging auf einen Obstgarten hinaus. Im Zimmer stand ein Ofen, und jeden Abend trug der junge John Hardy einen Armvoll Holz hinauf und stapelte es in eine Kiste an der Wand. Sie war den zweiten Monat im Haus, als Louise alle Hoffnung aufgab, mit den Hardy-Mädchen jemals auf freundschaftlichem Fuß zu stehen, und ging auf ihr Zimmer, sobald das Abendessen beendet war.
    Sie spielte nun mit dem Gedanken, sich mit John Hardy anzufreunden. Trat er, das Holz auf den Armen, ins Zimmer, gab sie vor, in die Arbeit vertieft zu sein, beobachtete ihn dabei aber begierig. Als er das Holz in die Kiste gestapelte hatte und sich zum Gehen wandte, senkte sie den Kopf und errötete. Sie versuchte, ein Gespräch zu beginnen, konnte aber nichts sagen, und als er gegangen war, war sie ob ihrer Dummheit wütend auf sich.
    Das Mädchen vom Lande wurde von der Vorstellung erfüllt, sich dem jungen Mann anzunähern. Sie glaubte, in ihm die Eigenschaften anzutreffen, die sie ihr ganzes Leben lang bei Menschen gesucht hatte. Ihr war, als wäre zwischen ihr und allen anderen Leuten auf der Welt eine Mauer errichtet worden und als lebte sie bloß am Rande eines warmen inneren Lebenskreises, der anderen irgendwie offenstand und den sie kannten. Sie verrannte sich in die Vorstellung, dass es nur einer beherzten Handlung ihrerseits bedürfe, um ihren Umgang mit den Menschen ganz anders zu gestalten, und dass es durch eine solche Handlung möglich sei, in ein neues Leben überzugehen, so wie man eine Tür öffnet und in ein Zimmer tritt. Tag und Nacht dachte sie darüber nach, doch wenngleich das, was sie so dringlich wollte, von großer Wärme und Nähe war, hatte es freilich noch keine bewusste Verbindung mit dem Geschlechtlichen. So eindeutig war die Sache noch nicht, und sie war nur deshalb auf die Person John Hardys verfallen, weil er zur Verfügung stand und sie, anders als seine Schwestern, nicht unfreundlich behandelte.
    Die Schwestern Hardy, Mary und Harriet, waren beide älter als Louise. In einem bestimmten Wissen um die Welt waren sie gar Jahre älter. Sie führten ein Leben wie alle jungen Frauen in den Städten des Mittleren Westens. In jenen Zeiten verließen junge Frauen unsere Städte nicht, um an ein College im Osten zu gehen, und Vorstellungen hinsichtlich gesellschaftlicher Klassen bestanden noch kaum. Die Tochter eines Arbeiters besaß weitgehend dieselbe Stellung wie die eines Farmers oder Händlers, und feine Leute gab es
noch keine. Ein Mädchen war «nett» oder eben «nicht nett». War sie nett, hatte sie einen jungen Mann, der sie sonntag- oder mittwochabends zu Hause besuchte. Manchmal ging sie mit ihrem jungen Mann zum Tanz oder zu einer Veranstaltung in der Kirche. Andere Male empfing sie ihn zu Hause und bekam

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