Winter
Christie gibt es nur eine Hand voll Taxis, diesen Fahrer hatte ich jedoch noch nie gesehen. Die Fahrt wurde eine schweigsame, denn er hatte gleich zu Beginn gemeint, einen Kommentar über die vietnamesischen Fahrer abgeben zu müssen. »Ich frage mich, wie diese verdammten Schlitzaugen zu ihrem Führerschein kommen«, waren seine Worte.
So ein Arsch, dachte ich, war jedoch zu müde, um mich auf einen Streit einzulassen oder ihm zu sagen, wo ich ihn auf der Verliererskala einreihen würde. An der Einfahrt nach Bannockburn stieg ich aus und gab ihm sogar noch ein Trinkgeld, fast zwei Dollar, was zeigt, wie müde ich war und wie wenig Bock ich hatte, mich mit ihm anzulegen.
Ich wartete, bis er den Wagen gewendet hatte und abgefahren war, dann ging ich ein zweites Mal durch das Tor.
Die Einfahrt schien länger denn je, das Haus noch größer und das ganze Anwesen strahlte Kälte aus. Es fühlte sich an, als wäre seit hundert Jahren kein junger Mensch mehr hier gewesen. Ich vergaß das Versprechen, das ich mir auf der Fahrt nach Christie gegeben hatte, ging die Einfahrt hinauf und horchte auf das Knirschen des weißen Kiesels unter meinen Sohlen. Ich hatte den starken Eindruck, nicht vom Fleck zu kommen, als verlangsamte der Kiesel meine Schritte, rollte unter meinen Füßen weg und ließe mich nach hinten rutschen.
Sogar die Tür zum Haus schien massig. Eine enorme Fläche aus dunkelrotem Holz mit einem schweren Messingklopfer. Ich duckte mich kurz in den Schatten der Tür, doch ich wusste, wenn ich so weit gekommen war und die Sache jetzt nicht durchzog, würde ich nie mehr wiederkehren. Rasch und bevor ich es mir anders überlegen konnte, ließ ich den Türklopfer ein paar Mal kräftig gegen die Tür krachen.
Mann, das war das lauteste Geräusch, das ich je gehört hatte. Es donnerte wie ein Echo durch das ganze Haus, hallte von Raum zu Raum und verklang erst allmählich. Ich bekam ernste Zweifel, ob hier überhaupt jemand wohnte. Vielleicht war die alte Dame ja gestorben. Vielleicht war sie nach Mallorca übersiedelt. Vielleicht war sie in einem Heim für alte Omis. Gab es auch ein Heim für alte Großtanten?
Es schien ewig zu dauern, bis sich etwas rührte. Ein zweites Mal hätte ich den Türklopfer ganz sicher nicht angefasst. Diesmal war es alles oder nichts. Doch dann hörte ich langsame schlurfende Schritte, die über einen kahlen Holzboden näher kamen. Bis die Tür aufging, schienen noch einmal zehn Minuten zu vergehen. Da es im Haus so dunkel war, war das Gesicht der Frau kaum zu sehen. Ich blinzelte hinein und fragte mich, ob ich sie wiedererkennen würde. Sie starrte zurück. Ich erkannte sie nicht, aber ich wusste, sie würde mich wiedererkennen.
»Winter?«
»Ja. Sind Sie…?«
»Nein. Ich bin die Haushälterin.«
»Mrs Stone?«
»Ja. Erstaunlich, dass du dich erinnerst.«
»Na ja, eigentlich nicht, mir ist gesagt worden, wie Sie heißen und dass Sie hier wohnen.«
Es trat eine Pause ein, wir wussten beide nicht, was wir sagen sollten.
»Soll ich sie fragen, ob sie dich sehen möchte?«
»Ähm, ja, bitte.«
Dieses »ob sie dich sehen möchte« beunruhigte mich. Warum sollte sie mich denn nicht sehen wollen? Ich war ihre Großnichte und entschlossen, eine wirklich großartige Großnichte zu sein. Wie viele Angehörige hatte sie denn? Garantiert nicht so viele, um wählerisch sein zu können.
Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren, weiß aber, dass ich länger auf Mrs Stones Rückkehr von ihrem Gang nach oben wartete als vorhin, bis sie die Tür öffnete. Ich schätze, es dauerte gut fünfzehn Minuten. Bis dahin saß ich auf den Stufen vor der Eingangstür und lehnte mit dem Rücken an einer niedrigen Ziegelmauer. Als ich sie kommen hörte, sprang ich hoch, denn es wäre mir peinlich gewesen, so erwischt zu werden. Es schien kein Haus zu sein, in dem gelümmelt wurde.
Etwas, vielleicht die Art, wie sie ihre Füße hinter sich herzog, ließ mich ahnen, dass Mrs Stone erfolglos gewesen war. Als sie bei der Tür ankam, sagte sie nur: »Sie wird dich nicht empfangen.«
»Sie wird mich nicht empfangen?«, wiederholte ich wie ein Idiot.
»Sie fühlt sich nicht wohl.«
Die Art, wie sie das sagte, ließ jedoch deutlich erkennen, dass es hier nicht um Gesundheitsfragen ging. Das war ganz klar eine billige Ausrede.
In mir ging eine Wunde auf, als hätte mir jemand mitten in die Brust geschossen. Ich spürte, wie der Pfeil durch meine Haut drang und mein Herz traf.
»Oh«, sagte ich und strich mir die Haare aus den
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