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Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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du. Die Ambulanz von Christie ist meilenweit weg, ich glaube, irgendwo in der Nähe von Exley. Wir hatten uns jahrelang darum bemüht, einen zweiten Rettungsdienst zu bekommen, aber den Minister interessierte das nicht. Heute haben wir natürlich drei. Egal. Als ich ankam – es muss ungefähr vier Uhr nachmittags gewesen sein –, lag sie neben dem Zaun. Mrs Harrison war bei ihr. Sie hatte es mit erster Hilfe versucht, aber da war nichts mehr zu machen. Als feststand, dass Phyllis tot war, legten sie und Mrs Stone deine Mutter auf die Tragfläche des Lastwagens und bedeckten ihr Gesicht mit einem Taschentuch.«
»Ich dachte, das darf man nicht«, warf ich ein. »Ich dachte, man muss alles so lassen, damit die Polizei ermitteln kann.«
»Du hast völlig Recht, aber in der Aufregung tun die Menschen oft Dinge, die sie nicht sollen.«
»Hm, mag sein.«
»Was aber deine Vermutung anlangt, so gab es dafür keinerlei Hinweise. Ich hielt es nicht für nötig, eine gründliche Untersuchung durchzuführen. Es schien ziemlich eindeutig. Ich untersuchte sie auf Lebenszeichen, sie muss aber auf der Stelle tot gewesen sein. Rückblickend und mit der Ehrlichkeit, zu der man erst im Ruhestand fähig ist, muss ich gestehen, dass ich damals unter keinen Umständen den heldenhaften TVDoktor spielen wollte, der den Boden nach Indizien abgrast. Ich habe den Menschen in diesem Distrikt mein Leben gewidmet. Sie sind mir sehr wichtig. Ich würde ihnen kein unnötiges Leid zumuten.«
Ich fragte mich, ob er mir auf Umwegen sagen wollte, dass er damals zwar einen Selbstmord in Erwägung zog, dann aber absichtlich die Augen vor dieser Möglichkeit verschloss.
»War ich dabei?«
»Nein. Angeblich warst du mit Mrs Stone im Haus. Ich habe dich nicht einmal gesehen. Ich fragte, ob ich nach dir sehen sollte, ob du vielleicht beunruhigt oder verzweifelt warst, aber Mrs Harrison war der Ansicht, es ginge dir gut, du wüsstest noch gar nichts und sie würde es dir behutsam beibringen. Ich glaube, sie hatte Mrs Stone gerufen, aber als die beiden erkannten, dass nichts mehr zu machen war, ist Mrs Stone zu dir ins Haus zurückgegangen.«
Ich versuchte es noch einmal mit der Schweigetaktik, doch diesmal ging meine Rechnung nicht auf. Vielleicht hatte er mir auch wirklich alles gesagt, was er wusste. Nachdem wir uns eine Zeit lang schweigend angesehen hatten, fiel mir nichts mehr ein, was ich ihn noch fragen konnte.
Ich stand auf.
»Vielen Dank, dass ich kommen durfte«, sagte ich, »und für die Information.«
»Ich freue mich, dass du wieder auf Warriewood bist«, sagte er. »Und dass du zu einer so beachtlichen jungen Dame herangewachsen bist. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, lass es mich wissen.«
Das sagte er jedoch ohne rechte Überzeugungskraft, als wäre er es leid, anderen zu helfen. Er hatte sein Soll längst erfüllt.
18
    Bei einem Barbecue, zu dem mich Matthew Kennedy mitgenommen hatte, überlegte ich mir, ob es nicht doch irgendwas an ihm gab, das ich nicht leiden konnte. Okay, so gestört bin ich auch nicht, dass ich bei anderen unbedingt das Schlechte herausfinden muss, aber für mein Gefühl schien er einfach eine Spur zu perfekt.
    Das Barbecue fand bei Matthews Mutter statt. Sie wohnte in einem kleinen, von einer hohen Hecke umgebenen Haus, ungefähr zehn Kilometer von Warriewood entfernt. Und obwohl ich da keinen Menschen kannte – Matthew hatte mich zwar mitgenommen, aber damit das klar ist, Date war es keines
–, war von Anfang an nicht zu übersehen, dass alle anderen mich kannten.
    Die meisten Gäste waren Freunde von Mrs Kennedy und viel älter als Matthew und ich. In unserem Alter waren nur zwei Jungs und ein Mädchen namens Astrid, die nebenan wohnte. Da es ein für die herbstliche Jahreszeit ungewöhnlich heißer Tag war, fand das Barbecue rund um den Pool statt, auch wenn niemand Lust, zu baden, hatte. Wir hielten uns an dem einen Ende des Pools auf und die Erwachsenen am anderen. Die meiste Zeit wenigstens. Es war ziemlich offensichtlich, wie die Erwachsenen ständig zu mir rüberblickten und über mich redeten. Sie fanden dann auch der Reihe nach einen Grund, um herüberzuschlendern und ein wenig zu plaudern, wobei nach jeder Frage, die an die anderen gerichtet wurde, zehn für mich reserviert waren.
    Sehr gesprächig war ich nicht. Mag sein, dass sie mich unhöflich fanden, aber ich lasse mich nicht gerne im Zoo ausstellen, egal, ob mit oder ohne Käfig.
    Einer der Jungs, er hieß Tim Glass, schien ganz nett zu sein,

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