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Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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sei, geradeaus in meines, womit ich allein würde herumgehen müssen, immer und immer. Ich sehe mich in meinem kleinen Gitterbett liegen und nicht schlafen und irgendwie ungenau voraussehen, daß so das Leben sein würde: voll lauter besonderer Dinge, die nur für Einen gemeint sind und die sich nicht sagen lassen. Sicher ist, daß sich nach und nach ein trauriger und schwerer Stolz in mir erhob. Ich stellte mir vor, wie man herumgehen würde, voll von Innerem und schweigsam. Ich empfand eine ungestüme Sympathie für die Erwachsenen; ich bewunderte sie, und ich nahm mir vor, ihnen zu sagen, daß ich sie bewunderte. Ich nahm mir vor, es Mademoiselle zu sagen bei der nächsten Gelegenheit.
    Werke VI (Die Aufzeichnungen des
Malte Laurids Brigge), 793-797 
    Und da, als es drüben so warm und schwammig lallte: da zum erstenmal seit vielen, vielen Jahren war es wieder da. Das, was mir das erste, tiefe Entsetzen eingejagt hatte, wenn ich als Kind im Fieber lag: das Große. Ja, so hatte ich immer gesagt, wenn sie alle um mein Bett standen und mir den Puls fühlten und mich fragten, was mich erschreckt habe: Das Große. Und wenn sie den Doktor holten und er war da und redete mir zu, so bat ich ihn, er möchte nur machen, daß das Große wegginge, alles andere wäre nichts. Aber er war wie die andern. Er konnte es nicht fortnehmen, obwohl ich damals doch klein war und mir leicht zu helfen gewesen wäre. Und jetzt war es wieder da. Es war später einfach ausgeblieben, auch in Fiebernächten war es nicht wiedergekommen, aber jetzt war es da, obwohl ich kein Fieber hatte. Jetzt war es da. Jetzt wuchs es aus mir heraus wie eine Geschwulst, wie ein zweiter Kopf, und war ein Teil von mir, obwohl es doch gar nicht zu mir gehören konnte, weil es so groß war. Es war da, wie ein großes totes Tier, das einmal, als es noch lebte, meine Hand gewesen war oder mein Arm. Und mein Blut ging durch mich und durch es, wie durch einen und denselben Körper. Und mein Herz mußte sich sehr anstrengen, um das Blut in das Große zu treiben: es war fast nicht genug Blut da. Und das Blut trat ungern ein in das Große und kam krank und schlecht zurück. Aber das Große schwoll an und wuchs mir vor das Gesicht wie eine warme bläuliche Beule und wuchs mir vor den Mund, und über meinem letzten Auge war schon der Schatten von seinem Rande.
    Werke VI (Die Aufzeichnungen des
Malte Laurids Brigge), 764 f.   
    Liebe Fürstin, gestern abend kam Ihr Brief; ich hätte Ihnen am Liebsten gleich gesagt, wie ausgezeichnet ich die Cortigiana finde, aber ich habe zunächst wieder ein paar körperlich und nervös so herabgesetzte Tage –, die Akklimatisation ohne Zweifel, die nachkommt, die ja kommen mußte, und die nun rasch akut geworden ist durch den Wechsel des Wetters; wir sind einer recht aufdringlichen Kälte in die Hände gefallen und es giebt nichts, was auf mich mehr wie Schicksal wirkt als dieses penetrante Frieren, das mich nicht anders wehrlos findet als irgend einen jungen Hund, von dem noch nicht einmal recht entschieden ist, wie er heißt. Erbärmlich. Und diesmal liegts doch nicht an meiner Unbefangenheit der Heizung gegenüber, daß ichs nicht anders habe, ich weiß, man kann ein Kaminfeuer in Szene setzen, aber das verursacht mir wieder anderes Mißbehagen, so halt ichs mit der Natur und friere geradeaus vor mich hin. Es muß irgendwann, irgendwie belohnt werden als eine Form der Aufrichtigkeit und Hingabe.
    Taxis I (17. 11. 1912), 230 f.
    Ich weiß nicht, warum ich mich so schwer zu der Kur-Aufgabe entschloß, jedenfalls war die Hemmung, sie auf mich zu nehmen, so stark, daß alles Mögliche andere mitgehemmt war. Die Wahl von Schöneck scheint richtig gewesen zu sein (abgesehen davon, daß ich in eine, im Gegensatz zum Wallis, überaus regnerische Gegend gerathen bin und dazu in eine, die (für meinen Geschmack) sehr zu jener landläufig bewunderten (mir sehr fremden) Schweiz gehört; welcher unglückseelige See, dieser Vierwaldstätter, un lac en lambeaux , wie vier Taschentücher, die nach verschiedenen Seiten Abschied winken …) Die Ärzte ha
ben einiges Thatsächliche gefunden, nicht nur Nerveuses, was die Behandlung sehr erleichtern und präzisieren wird. Im Übrigen verlaß ich mich auf die alte Neigung meiner Natur, jeder Einladung zur Gesundheit zu folgen, hilft

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