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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Deutschen würden ihn foltern. Und sollte er überleben, kam er in ein Kriegsgefangenenlager, wo er bis zum bitteren Ende ausharren musste oder an Unterernährung starb. Lloyd fluchte in sich hinein. Er war nur noch wenige Meilen von der Grenze entfernt gewesen!
    Sie fuhren in einen kleinen Ort. Der Mann am Steuer bog von der Hauptstraße ab und lenkte den Wagen in eine Gasse hinter ein paar Läden. Wollten sie ihn hier erschießen und seine Leiche einfach liegen lassen?
    Der Wagen hielt hinter einer Gaststätte. Auf dem Hof stapelten sich Unmengen von Kisten und Konservenbüchsen. Durch ein kleines Fenster konnte Lloyd in die hell erleuchtete Küche schauen.
    Der Gendarm auf dem Beifahrersitz stieg aus und öffnete Lloyds Tür. War das die Chance zur Flucht? Er müsste um den Wagen herum und die Gasse hinunterrennen. Es konnte klappen, denn es dämmerte bereits. Nach wenigen Metern wäre er kein leichtes Ziel mehr.
    Der Gendarm beugte sich in den Wagen, packte Lloyd am Arm und hielt ihn fest, als er ausstieg. Der zweite Gendarm folgte dichtauf. Lloyd sah ein, dass die Gelegenheit nicht gut genug war. Ein Fluchtversuch wäre Selbstmord gewesen.
    Warum hatten die Männer ihn hierhergebracht?
    Sie führten ihn in die Küche der Gaststätte. Ein Koch schlug Eier in eine Schüssel, und ein Junge spülte das Geschirr. Einer der Gendarmen sagte: »Der hier ist ein Engländer. Er nennt sich Leandro.«
    Ohne in seiner Arbeit innezuhalten, hob der Koch den Kopf und rief: »Teresa! Komm her!«
    Lloyd erinnerte sich an eine andere Teresa, eine wunderschöne spanische Anarchistin, die den Soldaten das Lesen beigebracht hatte.
    Die Küchentür flog auf, und die Frau kam herein.
    Lloyd riss die Augen auf. Er konnte sich unmöglich irren. Nie würde er diese großen Augen und das dichte schwarze Haar vergessen. Allerdings trug sie jetzt keine Uniform, sondern die weiße Schürze einer Kellnerin.
    Zuerst schaute sie ihn nicht an. Sie stellte einen Stapel Tellerneben dem Spüljungen ab, wandte sich lächelnd den Gendarmen zu, küsste sie auf beide Wangen und sagte: »Pierre! Michel! Wie geht es euch?« Dann drehte sie sich zu Lloyd um, starrte ihn an und stieß auf Spanisch hervor: »Nein! Das ist doch nicht möglich. Lloyd? Bist du es wirklich?«
    Er konnte nur stumm nicken.
    Teresa umarmte ihn stürmisch, drückte ihn an sich und küsste ihn auf beide Wangen.
    Einer der Gendarmen sagte: »Bis bald, Teresa. Wir müssen wieder los. Viel Glück!« Er gab Lloyd den Leinensack zurück; dann war er verschwunden.
    Erst jetzt fand Lloyd seine Stimme wieder. »Was ist hier los?«, fragte er Teresa auf Spanisch. »Ich hätte darauf gewettet, dass sie mich in den Knast bringen.«
    »Sie hassen die Nazis, deshalb helfen sie uns«, erwiderte Teresa.
    »Wen meinst du mit ›uns‹?«
    »Das erkläre ich dir später. Komm mit.« Teresa öffnete eine Tür und führte Lloyd eine Treppe hinauf und in ein spärlich möbliertes Schlafzimmer. »Warte hier. Ich bringe dir was zu essen.«
    Lloyd legte sich aufs Bett. Er konnte noch immer nicht fassen, was für ein unglaubliches Glück er gehabt hatte. Vor fünf Minuten hatte er noch mit Folter und Tod rechnen müssen, und jetzt wartete er darauf, dass eine schöne Frau ihm Essen brachte.
    Aber das kann sich genauso schnell wieder ändern, ermahnte er sich.
    Eine halbe Stunde später brachte Teresa ihm ein Omelett. »Im Lokal war viel zu tun, aber wir machen gleich zu«, sagte sie. »In ein paar Minuten bin ich zurück.«
    Lloyd schlang das Essen hinunter.
    Es wurde Nacht. Lloyd lauschte den Stimmen und Schritten der letzten Gäste und dem Klappern der Töpfe, die in der Küche weggeräumt wurden. Dann kam Teresa mit einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern.
    Lloyd fragte sie, warum sie Spanien verlassen hatte.
    »Unsere Leute werden zu Tausenden ermordet«, antwortete sie. »Und für die wenigen, die davongekommen sind, wurde das sogenannte Gesetz der politischen Verantwortung erlassen, das alle zu Verbrechern erklärt, die die Regierung unterstützt haben.Es reicht schon, Franco durch schwerwiegende Passivität, wie es genannt wird, Widerstand geleistet zu haben, um seinen ganzen Besitz zu verlieren. Als unschuldig gilt man nur, wenn man nachweisen kann, dass man ihn aktiv unterstützt hat.«
    Voller Bitterkeit dachte Lloyd an die Erklärung, die Chamberlain im März vor dem Unterhaus abgegeben hatte. Franco würde niemanden aus politischen Gründen verfolgen, hatte er gesagt. Was für ein widerlicher

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